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Landlust auf dem Linslerhof

„Mach was draus!“, forderte Wendelin v. Boch-Galhau seine Frau Brigitte auf. Und sie machte: Aus dem historischen Gutshof im saarländischen Überherrn wurde ein Vier-Sterne-Romantik-Hotel mit Jagdschule, Reitanlage und Restaurants.

Dorothee Gräfin v. Walderdorff

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Wer auf dem Linslerhof eincheckt, hat Romantik gebucht. Zwischen Feldern, Wiesen und Wäldern liegt das weitläufige Gehöft im englischen Landhausstil. In den 90er-Jahren begannen Wendelin und Brigitte v. Boch-Galhau mit der Renovierung des vom Verfall bedrohten Gutshofs. Heute beherbergt der Linslerhof ein Romantik-Hotel mit Wellness-Bereich, 62 Gästezimmer, verteilt auf drei Gebäude, den Pferdesportclub Linslerhof, eine Jagdschule samt Falknerei, zwei Restaurants, mehrere Veranstaltungsräume, Tagungsräume sowie das Outlet der „Brigitte von Boch Living“-Kollektion.

Es gibt also viel zu entdecken. Erst einmal aber bleiben wir im „roten Salon“ gleich neben der zur Rezeption umgebauten Wagendurchfahrt, trinken Tee mit Brigitte v. Boch, tauchen ein in ihre Welt. Dunkelrote Wände, hellgraue weiche Sofas, ein flackerndes Windlicht auf dem blankpolierten Mahagoni-Tisch und als Blickfang das eindrucksvolle Haupt eines Springbocks aus Simbabwe. Der Salon ist gemütlich, gleichzeitig aber auch großzügig und weltoffen. „Ich liebe es, alten Häusern neues Leben einzuhauchen und ihnen dabei ihre Geschichte zu belassen“, sagt Brigitte v. Boch, die Grande Dame des Interior Design. Ihre Leidenschaft für stilvolles Wohnen hat die sportlich-elegante Geschäftsfrau nicht nur in alten Häusern verwirklicht. Ihre Lifestyle-Bücher und das Magazin „Living at Home“ haben so manchen bei der Einrichtung von Schlössern, Villen und Landhäusern inspiriert. Brigitte v. Boch-Galhau hat viel gestaltet – und noch mehr bewegt. Der Linslerhof aber zählt zu einer ihrer größten, erfolgreich gemeisterten Herausforderungen.

Großes, aber schwieriges Erbe

Als Wendelin v. Boch-Galhau, Miteigentümer der bekannten Porzellanmanufaktur Villeroy & Boch, nach dem Tod seines Vaters Franz Egon v. Boch-Galaau 1981 den Linslerhof mit rund 330 Hektar Land- und Forstwirtschaft übernahm, stand es um den Gutsbetrieb alles andere als rosig. Die guten Zeiten für die Landwirtschaft waren vorbei. Auf den Weiden grasten 400 schwarze Angus-Rinder, die mehr Arbeit machten, als Einnahmen brachten. 150 Menschen hatten während des Kriegs auf dem Linslerhof gearbeitet, die Kriegszeit hatte ihre Spuren hinterlassen. Ein Teil, der vor dem Ersten Weltkrieg erbauten Stallungen bröckelte, die Sandsteingebäude aber hatten ihre alte Pracht bewahrt. Das bereitete den neuen Eigentümern großes Kopfzerbrechen. Wendelin verbrachte zwar einen Teil seiner Kindheit, als viertes von sieben Geschwistern mit seinen Eltern Franz Egon v. Boch (1909–1981) und Agnes Gräfin v. Montgelas (1914–1992) auf dem damals landwirtschaftlich genutzten Linslerhof. Ein passionierter Bauer ist er jedoch nicht geworden. Schon mit 25 Jahren stieg er ins Familienunternehmen ein, wurde schließlich Vorstandsvorsitzender und dann Vorsitzender des Aufsichtsrats der Villeroy & Boch AG. Mit scharfem Blick für die Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens taxierte er das väterliche Erbe. Die Vernunft plädierte für einen eventuellen Verkauf, doch am Ende siegte die Liebe zum alten Familienbesitz und zum Erhalt der Tradition. Seine Frau Brigitte v. Boch-Galhau, die ins Saarland katapultierte Bayerin, Tochter des Rottacher Bürgermeisters Max Engelsberger und seit 1976 mit Wendelin v. Boch verheiratet, bestärkte ihn. „Dann mach was draus!“, ermunterte Wendelin seine Frau.

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Was später seit Mitte der 90er-Jahre, auf dem Linslerhof entstand, entwickelte sich peu à peu. Am Anfang standen zwei kleine, hingeworfene Sätzchen. „Sollten wir nicht ein paar Boxen für Pensionspferde einrichten?“, schlug der ehemalige Verwalter vor. Schon bald danach zogen sechs Pensionspferde in den umfunktionierten Kuhstall ein. Drum herum entstanden Sattelkammer und Reiterstübchen, später eine Reithalle und ein Dressurplatz hinter den Stallungen. Heute finden auf dem Linslerhof die Saarlandmeisterschaften im Vielseitigkeitsreiten statt, dem besten Ponyreiter wird die „goldene Schärpe“ überreicht, der Akademische Reitclub richtet sein jährliches Dressurfestival auf dem Linslerhof aus, die besten „Reiter mit Handicap“ kämpfen hier um ihre Qualifikation zur Europameisterschaft, zwei Reitvereine sind fest etabliert.

Jagdschule und Falknerei

Ebenso „dahergeworfen“ war die Idee eines Forsteleven, auf dem Linslerhof eine Jagdschule zu etablieren. Es sei doch das „perfekte Umfeld“. Das war 1995. In Deutschland gehörte die Jagdschule auf dem Linslerhof zu den ersten Schulen für das „grüne Abitur“. Begeistert nahmen die künftigen „Jung-Jäger“ das Angebot an. Weil im Saarland Teile der Jägerprüfung einfacher sind, kamen immer mehr prüfungsgestresste Bayern, um ihren Jagdschein in der JL (Jagdschule Jagen lernen) zu machen. Ihre Frage „Warum ko ma do net wohna?“ beantwortete die Chefin so schnell wie möglich mit 14 stilvoll eingerichteten Gästezimmern für Jagdschüler. Der Hausherr, selbst passionierter Jäger, toppte das Angebot mit einer unterirdischen Schießanlage, damals eine der modernsten in Europa, als Ergänzung zum eigenen Lehrrevier, Jagdparcours und zu multimedialen Seminarräumen. Da große Jäger mehr brauchen als kleine (geschmierte) Brötchen, baute man im früheren Hengststall und in der Traktor-Remise zwei Restaurants: die rustikale „Georgstube“ und das ländlichelegante Feinschmeckerrestaurant „St. Antonius“.

Als „Schmankerl“ für alle Bayern wurden die Tische unter den schattigen Kastanien mit weiß-grün karrierten Tischdecken gedeckt – ein bayrischer Biergarten, so urig, dass man unwillkürlich von lauen Sommerabenden und einer deftigen Brotzeit träumt. Doch nicht nur da. Auf dem Linslerhof lassen sich viele Träume erfüllen. Große, wie eine romantische Hochzeit, geplant und durchorganisiert vom Jawort in der liebevoll restaurierten Antonius-Kapelle bis zur feierlichen Brautsoiree im festlich gedeckten Marstall. Familienfeiern bekommen einen eleganten Rahmen, Tagungen einen abgeschirmten „Think Tank“ und Großveranstaltungen wie die Gartenmesse – mit 25 000 Besuchern im letzten Jahr – genügend Raum. Wahrlich traumhaft aber wird der Aufenthalt allein, zu zweit, mit Hund und Pferd bei einem geruhsamen Wellness-Wochenende in ländlicher Abgeschiedenheit.

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„Die Sehnsucht nach Natur wird größer“, stellt Brigitte v. Boch fest. „Zu uns kommen viele Städter, die sich nach Land, Ruhe und Ursprünglichkeit sehnen. Hier finden sie, was sie suchen: den weiten Blick über grüne Wiesen, Hufgetrappel, Vogelgezwitscher – kleine Fluchten aus dem Getöse der Großstädte.“ Draußen blühen Petunien, bunt wie Abendkleider, drinnen wechseln die Farben von Graublau bis Dunkelrot. Jeder Raum ist wie ein Bild, alle zusammen wie ein Bilderbuch, in dem es viele originelle Details zu entdecken gibt. Da wird schon mal ein Klavier farblich dem Interieur angepasst, bordeaux-beige gestreifte Aufzugtüren verwandeln den Eingang zum Lift in ein Schilderhäuschen. Schwarz-Weiß-Fotografien von Familienmitgliedern vermitteln den Gästen das Gefühl vom „Sweet Home“. Wie viel Arbeit, Mühe und Kosten das macht, unterschlägt die Hausherrin. War es wirklich so einfach? „Nicht immer“, räumt sie schließlich ein, gesteht schlaflose Nächte und anstrengende Tage, dicht gedrängt mit vielen Terminen.

Wendelin und Brigitte v. Boch haben vier Kinder, heute zwischen 32 und 47 Jahren. Ihr ältester Sohn Oliver gründete 1998 unter dem Namen seiner bekannten Mutter die Lifestyle-Marke „Brigitte von Boch“, die er gemeinsam mit seiner kreativen Frau Dina heute überwiegend im Online-Geschäft betreibt. Wendelin v. Boch-Galhau war bis zum März dieses Jahres Aufsichtsratsvorsitzender des Familienbetriebs Villeroy & Boch. „Ich habe nicht nur die Liebe meines Lebens, sondern auch viele Verpflichtungen und Erwartungen geheiratet“, sagte Brigitte v. Boch einmal in einem Interview mit der „Welt am Sonntag“. Zu geschmacklichen Entscheidungen hat Wendelin sie des Öfteren befragt, bei vielen Business-Reisen war sie dabei. Sie hat den Ruf einer „perfekten Gastgeberin“, deren Einladungen die Spitzen aus Politik und Wirtschaft gern folgen. Ihr Leben ist vielfältig, und sie weiß ihre Popularität zu nutzen. Um dem Staatstheater in Saarbrücken kleine „Highlights“ zu ermöglichen, gründete sie einen privaten Sponsorenclub. Die weltoffene Saarländerin engagierte sich als niederländische Konsulin und arbeitete für „Mentor Deutschland“, dessen Vorsitzende Königin Silvia von Schweden ist. Noch lieber als über Inneneinrichtung redet sie über Politik, die Welt, die kontroverser, schwieriger und unübersichtlicher geworden ist. Brigitte v. Boch wäre eine engagierte Politikerin –aber was wäre dann aus dem Linslerhof geworden?