Schloss Steinbach

Bullerbü im Schlosspark

Christoph Freiherr v. Hutten wuchs in Schloss Steinbach in Unterfranken auf, seine Frau Eli an den norwegischen Fjorden zwischen Stavanger und Bergen. Mit vielen Ideen – von bunten Fertighäusern im Schwedenlook bis zur eleganten Perlenboutique – erhalten sie Schloss Steinbach in Lohr am Main.

Von Dorothee Gräfin v. Walderdorff

Die allgemeine Landflucht kann ich nicht nachvollziehen“, murmelt Christoph Freiherr v. Hutten und blickt gedankenverloren aus dem Fenster. Schnee schmückt die Äste dicker, alter Eichen – der herrschaftliche Park versinkt im Winterschlaf. „Es ist doch schön hier“, sagt er und sucht die Bestätigung seiner Frau Eli. „Wir haben es uns schön gemacht“, erwidert sie und meint die vielen baulichen und wirtschaftlichen Veränderungen, die sie und ihr Mann in den letzten 17 Jahren auf Schloss Steinbach durchführten. Gemeinsam ist es ihnen gelungen, die Tradition des Familienbesitzes mit der nordisch geprägten Lebensweise ihrer jungen Familie zu kombinieren. Jetzt im Winter erstarren die repräsentativen Räume in kalter Pracht, zur Besichtigung der rosa, grünen und blauen Gastzimmer, des großen Speisesaals und der eleganten Salons behält man lieber den Mantel an. In der holzverkleideten, weißen Landhausküche unterm Dach ist es dagegen urgemütlich. Im schwedischen Kachelofen knacken die Holzscheite, die Hunde, Heinrich und Ludwig, schlafen auf Felldecken, es gibt Spaghetti bolognese, und der Hausherr schwärmt von den Vorzügen des Landlebens. „Wir können unsere Ideen verwirklichen, leben in einer vertrauten dörfl ichen Gemeinschaft, die unseren vier Kindern (Sofi a, 17, Valentina, 15, Karolina, 13, und Karl Johann mit seinen acht Jahren) Geborgenheit einerseits und viele Freiheiten andererseits bietet.“

Treppenhaus

„Am schönsten ist es hier im Sommer!“, schwärmen sie: „Wenn wir mit Freunden grillen, unter der schattigen Weinlaube sitzen oder die Füße in den zum Whirlpool umgebauten Brunnen halten und die Kinder mit den Hunden über den Rasen tollen … Das sind Glücksmomente, aber auch Klischees“, bemerkt Christoph v. Hutten. „Niemand erinnert sich gern daran, wie er im Winter in dicken Pullovern durch eiskalte Gänge geht, fröstelnd im Bett liegt und auf die Eisblumen am Fenster starrt, das Konto an Schwindsucht leidet. Wir haben damals schnell gemerkt: Das ist kein Zuckerschlecken – und schon gar nicht im Winter.“

gustavianischen Stil

Fürs Erbe geeignet

Damals, das war vor 18 Jahren, als sich Eli Björlo und Christoph Freiherr v. Hutten am 8. Januar 2000 in der eiskalten Barockkirche in Steinbach, die 1709 von seinem Vorfahren dem Würzburger Fürstbischof Christoph Franz v. Hutten erbaut worden war, das Jawort gaben und die Nachfolge in Schloss Steinbach antraten. Christoph, der älteste Sohn von Friedrich Karl Freiherr v. Hutten und seiner aus Schweden stammenden Ehefrau Birgitta v. Bodelschwingh, war 35 Jahre alt. Er hatte in Phoenix/Arizona Wirtschaftsingenieurwesen studiert, anschließend bei einer bayerischen Baufirma gearbeitet und – ganz wichtig – in der Münchner Fußgängerzone die Norwegerin Eli Björlo kennengelernt. Mit ihr konnte er sich ein gemeinsames Leben vorstellen, mit ihr kann er die von der Mutter ererbte Liebe zu Skandinavien und das väterliche Erbe, Schloss Steinbach, vereinen.

Aber, wie gesagt, es war kein Zuckerschlecken. Das 1725 vom Würzburger Fürstbischof Christoph Franz v. Hutten für seinen Bruder Franz Ludwig nach den Plänen des berühmten Hofbaumeisters Balthasar Neumann erbaute Barockschloss (siehe Kasten nächste Seite) war im letzten Kriegsmonat, in der Nacht vom 3. zum 4. April 1945, fast völlig ausgebrannt. Amerikanische Soldaten waren von einen Mann aus dem Dorf mit einem Karabiner beschossen worden. Die Aliierten vermuteten ein Widerstandsnest, das es auszurotten galt. Das Feuer brannte fast eine Woche lang. Sein aus Würzburg herbeigeeilter Großvater Karl Ferdinand v. Hutten (1898–1971) und seine Frau Ilse geb. Schackwitz retteten, was noch zu retten war. Zum Wiederaufbau aber fehlte ihnen dann die Kraft. Karl Ferdinand v. Hutten vermachte die Ruine seinem Sohn Friedrich Karl, zog sich in ein Nebengebäude zurück und vergrub sich hinter Büchern.

In den 1960er- und 1970er-Jahren setzte Friedrich Karl mit seiner Frau Birgitta das Gebäude wieder instand. Als Christoph v. Hutten 2000 den Besitz übernahm, waren die meisten Dächer dicht, aber es gab noch viel zu tun. „Mir wurde immer ganz mulmig“, erinnert sich Christoph v. Hutten, „wenn wieder Briefe von irgendwelchen Ämtern oder Behörden ankamen – da stand nie etwas Gutes drin.“ Aber das junge Paar ließ sich nicht entmutigen.

Auftakt mit Hackschnitzeln

Ihre erste große Investition war eine Hackschnitzelheizung – für die Mieter im umgebauten „Alten Schloss“, der Scheune, dem Schweine- und Kuhstall. Während die Familie mit wachsender Kinderschar noch lange in dicken Norwegerpullovern die kalten Gänge durchquerte, hatten es die Mieter kuschelig warm. „Alte Gemäuer dürfen nicht leer stehen, sie müssen dazu beitragen, dass sich das Haus selbst trägt“, erklärt Hutten. Schritt für Schritt hatten sie das Werk der Eltern fortgesetzt, das „Alte Schloss“, der sogenannte Langbau (siehe Kasten), und die ehemaligen Wirtschaftsgebäude in zusätzlich vermietbaren Wohnraum umgewandelt. Insgesamt leben jetzt 18 Mietparteien auf dem Schlossgelände – und jede hat’s nicht nur warm, sondern auch gemütlich, manche sogar mit einem zusätzlichen schwedischen Kachelofen. Das Holz dafür kommt aus den 315 Hektar Wald, die zum Besitz gehören. Weil mehr geschlagen werden kann, als für die Öfen und die Heizung nötig ist, baute Hutten in der hintersten Ecke des Schlossparks einen Forsthof und eine solar- und holzbetriebene Trocknungsanlage für Brennholz. Dort wird Kaminholz verkauft oder an Selbstabholer in kleinen Gebinden abgegeben. Das Wildbret aus dem Wald wird in der gerade fertiggestellten Wildkammer zerlegt und in kleinen Portionen verkauft. Gleich neben dem Wildverkauf geht’s nach „Bullerbü“. Ein heimeliges Schwedenhaus im Schlosshof ist Sitz der Firma Skanwood. Hier findet das Hauptgeschäft von Christoph v. Hutten statt: die Bauplanung für schwedische Holzhäuser in Fertigbauweise. 28 Reihenhäuser, vier Einfamilienhäuser und zwölf Mietwohnungen wurden hier am Reißbrett entworfen und werden gerade auf einem benachbarten Gelände gebaut. Die zwölf Mietwohnungen sind schon zum Einzug bereit. Im Musterhaus im Schlosspark konnten sich die neuen Mieter auch schwedische Kachelöfen, Fliesen und Landhausküchen fürs neue Heim aussuchen. Angeregt durch seine rege Bautätigkeit entwickelte Hutten gemeinsam mit einem Freund, eine weitere, sehr originelle, Geschäftsidee: die Arme Ritter GbR – ein Einkaufsverbund für Haus- und Grundbesitzer, Denkmalbewohner und Gourmets. Wer sich zu Recht als „armer Ritter“ bezeichnet, kann Mitglied werden und erhält Rabatt beim Einkauf bei diversen Partnerfirmen – vom Baustoff bis zum Wasserhahn, aber auch bei Wein und Perlenketten (www.armeritter.com).

Schmuckwerkstatt

Das Erfolgsunternehmen Schloss Steinbach

Das Unternehmen Schloss Steinbach ruht auf vielen Säulen – die dekorativste ist die Schmuckwerkstatt von Eli v. Hutten. In ihrer Schmuckboutique, die auch Werkstatt ist, verarbeitet die Baronin ihre auf weiten Asien-Reisen erstandenen Süßwasserperlen zu modischen Ketten, Armbändern und Ohrringen, die sie dann bei Veranstaltungen im Schloss und im Onlinehandel verkauft. (Infos: www.perlinen.com).

Das Haus bietet viele Möglichkeiten und Huttens verstehen es, sie zu nutzen – erkennen aber auch die Zeichen für notwendige Veränderungen. Nach zehn arbeitsintensiven Jahren finden Gartenmessen und Weihnachtsmärkte jetzt nicht mehr statt. „Es gibt inzwischen zu viele, die Landlust auf dem Rasen und Glök (Glühwein) unterm Tannenbaum anbieten“, erkannte Hutten. Mit gutem Gespür dafür, was jetzt viel mehr gebraucht wird, macht er sich auf den Weg zu seiner größten Baustelle – die „Bullerbü-Siedlung“ am Ortsrand von Steinbach.