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Platz für viele Ideen

Für Hans Ludwig und Viktoria Körner ist Schloss Dürrenmungenau ein „Kreativitätspool“, den sie mit Freude und Engagement für viele Aktivitäten nutzen

Dorothee Gräfin v. Walderdorff

Es gibt keinen perfekten Plan – und man kann Fehler machen“, erklärte Viktoria Körner am Ende unseres langen Telefonats. Ein Satz, der klingt wie ein Seil, an dem sich Hans Ludwig Körner und seine Frau Viktoria entlanghangeln – und bei Niederlagen festhalten.

Vor zehn Jahren bezogen sie mit ihren fünf Kindern Schloss Dürrenmungenau, öffneten die Tore und beleben seither das Haus mit Großveranstaltungen, Hochzeiten – und immer neuen Ideen. „Jede Generation hat hier die Chance, sich selbst zu verwirklichen – so leben wir es unseren Kindern vor und hoffen, dass sie später mit derselben Freude wie wir die Tradition fortsetzen.“ Seit fünf Generationen ist Schloss Dürrenmungenau im Besitz der Freiherrn Leuckart v. Weißdorf und ihren Nachfahren – in der dritten Generation wäre diese Kette beinahe gerissen. Werner Freiherr Leuckart v. Weißdorf, der Großvater von Hans Ludwig Körner, war Herr zweier Schlösser. Die mageren Böden von Dürrenmungenau ernährten lediglich den Verwalter, weshalb er sich auf die Bewirtschaftung von Schloss Weißdorf im Landkreis Hof in Oberfranken konzentrierte.

Zehn lange Jahre stand deshalb das Schloss leer. Die Erbinnen, seine Töchter Luitgardis, verheiratet mit Dr. Hans Körner, und Marie Luise verheiratete v. Bonin, sahen Efeu wachsen und Mauern bröckeln. Bis 1979 Dr. Hans Körner und seiner Frau Luitgardis die folgenreiche Entscheidung fällten:

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„Wir retten Dürrenmungenau!“

Sie zogen mit ihren drei Kindern in das sehr marode Schloss, nahmen viele Beschwerlichkeiten auf sich, um der Familie einen neuen Lebensmittelpunkt zu schaffen, den Besitz zu erhalten. Um sich, bei allem Idealismus, nicht finanziell zu übernehmen, arbeitete der Genealoge und Historiker Hans Körner weiterhin bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München. Jeden Freitag eilte er zu Frau und Kindern auf eine sich bald über das ganze Haus ausbreitende Baustelle. Mit viel Eigenarbeit und Unterstützung der Denkmalpflege wurde das Dach repariert, Rohre für fließendes Wasser und die Heizung verlegt und – welch Luxus! – Wasserklosetts installiert.

An die Plumpsklos von früher kann sich Hans Ludwig Körner heute noch gut erinnern, auch an den grünlichen Schimmel, der die Bücher in der Bibliothek überzog. Das jüngste der drei Körner-Kinder – zwei Töchter, ein Sohn – war gerade zehn Jahre alt, als die Familie das Großstadtleben gegen viel Platz und wenig Programm eintauschte. Der Lausbub in Lederhosen erlebte sein neues Zuhause als, wie er es nennt, „Kreativitätspool“ – viel Platz für viele Ideen.

Eine davon war ein Tennisplatz. Eindringlich versuchte er, die Eltern zum Bau eines Sandplatzes zu überreden. Nicht etwa weil er gern Tennis spielen wollte. Nein, sportlich war er nicht. Aber früh das Potenzial für Einnahmen entdeckend, wollte Hans Ludwig die Tennisplätze vermieten.

Das klang erst mal clever – scheiterte aber am Widerstand der Eltern, die die vorhandene Liquidität zunächst in die Grundsanierung stecken wollten. So dachte man damals. Erst der Generationenwechsel brachte neue Optionen.

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„Es ist gut, beizeiten zu übergeben“

Hans Ludwig Körner war 33 Jahre alt, als ihm seine Mutter und auch ihre Schwester, Marie-Luise v. Bonin, den Besitz überschrieben. Drei Jahre zuvor hatte er Viktoria Gräfin zu Solms-Baruth geheiratet, ihre älteste Tochter Amelie war gerade geboren, sein Vater im Vorjahr gestorben. Nach abgeschlossenem Jurastudium arbeitete er als Lobbyist bei den Wald-und Grundbesitzerverbänden in Berlin, lebte mit seiner rasch wachsenden Familie mitten in der Hauptstadt – weit weg von Dürrenmungenau. Dennoch: „Es ist gut, beizeiten zu übergeben!“, betonte er. „Mich erfüllte es mit großer Dankbarkeit, und ich war mir meiner Verpflichtung durchaus bewusst.“

Sie blieben vorerst in Berlin, wo nach Amelie (2001), Sophie (2002), Ludwig (2004), Luise (2006) und Gustav (2010) geboren werden. „Wir hielten es für schlauer, sich erst einmal der beruflichen Karriere zu widmen, bevor man sich mit Nix in der Hand aufs Land begibt“, begründete der Rechtsanwalt die Entscheidung. Sie brachte es mit sich, dass er jedes dritte Wochenende nach Dürrenmungenau reiste, und sie funktionierte, weil Luitgardis Körner tatkräftig Haus und Hof in Schuss hielt. Mutter und Sohn sind bis heute ein gutes Team. Entscheidungen treffen sie gemeinsam, und doch hat der Sohn freie Hand. Selbst als der „grüne Lobbyist“ vorschlug, Ackerland in Dürrenmungenau gegen 200 Hektar Wald im Osten einzutauschen, trat Luitgardis Körner nicht ängstlich auf die Bremse, sondern segnete die Idee mit einem motivierenden „Mach das!“ ab.

Von Berlin aus gesteuert, vor Ort von der Mutter begleitet, wurde die Wohnung im Verwalterhaus saniert, neu und konnte besser vermietet werden. Hans Ludwig Körner ließ die Pachtverträge auslaufen und baute als „Hobby-Farmer“ selbst Roggen und Kartoffeln an. Fazit nach vielen Stunden auf dem Schlepper: „Kartoffeln kann ich nicht!“

Dann kam 2011 der Umzug nach Dürrenmungenau. Der Zeitpunkt war ideal. Amelie, die Älteste, ging ins Gymnasium, und Hans Ludwig Körner gründete seine Rechtsanwaltskanzlei auf dem Betrieb. Und natürlich machte der Bürgermeister als Erstes seine Aufwartung. Die Kinder, ordentlich frisiert, wurden ermahnt, sehr freundlich zu sein. Luise, die Mittlere, nahm sich die Ansage besonders zu Herzen. Sie drückte dem verdutzten Bürgermeister ein dickes Bussi auf die Wange – und ebnete den Weg für viele Aktivitäten.

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Hochzeit der Dorfschönen

Die „Gartenlust auf Schloss Dürrenmungenau“ mit später 140 Ausstellern ist längst zum jährlichen Publikumsmagneten geworden, ebenso der stimmungsvolle Weihnachtsmarkt. Seit der „Pilothochzeit mit der Dorfschönen“ finden im „Waschhaus“ etwa 20 bis 30 Hochzeiten im Jahr statt. Ein Caterer richtet das Fest aus, Körners vermieten die Location und sorgen für ein gepflegtes Ambiente. Zwei Tage vor einer Hochzeit müssen der Rasen gemäht, Laub gepustet und die Wege geharkt werden. Kurz bevor die Gäste kommen, sperrt die Hausfrau die Hunde ein. Die beiden Labradore, Pika und Pepper, sind heiß geliebte und jagdlich ausgebildete Familienmitglieder. Und weil man hier Leidenschaften gern mit einer Geschäftsidee verbindet, wurde gerade der dritte Wurf kleiner „Labbi-Babys“ verkauft.

Das weitläufige Anwesen mit Park, Obstgarten und Gutshof ist ein „Kreativitätspool“, davon war Körner – wie gesagt – schon als kleiner Junge überzeugt. Jetzt nutzt er ihn gemeinsam mit seiner ihm in Umtriebigkeit und Fleiß nicht nachstehenden Frau. Seit einigen Jahren bauen sie Spargel an, verkaufen die schmackhaften Stängel oft selbst in einem Büdchen an der Bundesstraße oder direkt im Schloss via Online-Bestellung. Einmal im Jahr findet ein öffentliches Spargelessen im Schlosspark statt. Dann steht auch die Schlossherrin in der Küche, und ihre Töchter und Söhne servieren.

„Die Kinder machen überall mit, …

… ohne sie geht es gar nicht“, lobt Viktoria Körner ihre fünf. Sobald die Blätter fallen, fiebern Amelie und ihre Geschwister dem Weihnachtsmarkt entgegen. Als i-Dözchen verkauften sie Zweige und Tannenzapfen. Den Erlös durften sie behalten. Jetzt haben sie sich aufs Waffelbacken spezialisiert. Selbstständig erledigen sie Einkauf, Marketing und Verkauf im eigenen Büdchen, investierten den Gewinn vom Vorjahr in Profi-Crêpesplatten und denken sich immer neue Geschmacksvariationen aus – die allerdings nicht immer gern gegessen werden. „Das müssen sie lernen“, betont ihre Mutter. Auch Viktoria Körner und ihr Mann mussten schon häufiger erleben, dass sich eine „Superidee“ als Flop erwies. So organisierten sie mit viel Aufwand und ausgezeichneten Musikern hochkarätige Musikfeste – vor leeren Reihen. Auch die Lesungen wurden wieder aus dem Programm genommen. „Kultur auf dem Land ist schwieriger, als wir dachten“, erkannten sie. „In den vergangenen zehn Jahren haben wir viel gelernt, können jetzt ganz gut abschätzen, was ankommt und was nicht.“ Sehr hilfreich ist ihnen dabei ihr gut funktionierendes Netzwerk. „Mensch Ludwig, so ein enges Verhältnis zum Schloss hatten wir noch nie!“, schwärmte neulich ein Landwirt. Man hilft einander – und profitiert voneinander. Keiner murrt, wenn während Gartenlust oder Weihnachtsmarkt auf der sonst stillen Dorfstraße ein Verkehrschaos entsteht oder Hochzeitsgäste bis tief in die Nacht lärmen. Bauern und Geschäftsleute aus dem Dorf verkaufen ihre Produkte bei den Märkten oder vermieten Fremdenzimmer an Hochzeitsgäste. Das Schloss gehört zum Dorf – und das Dorf zum Schloss. Aus diesem Gedanken heraus entstand 2006 der Förderverein Schloss Dürrenmungenau, der sich mit Spenden und Mitgliedsbeiträgen für den Erhalt der denkmalgeschützten Anlage einsetzt. So sind es mittlerweile eine ganze Reihe von „Töpfen“, aus denen die Körners den Unterhalt von Schloss Dürrenmungenau finanzieren. „Wir probieren gern Neues aus, sind aber nicht bereit, hohe Summen zu investieren – das ist uns zu riskant“, erklärt der Jurist und Geschäftsmann, der – das ist ein wichtiger Punkt – mittlerweile die Brötchen zum Unterhalt der Familie als Geschäftsführer beim Bayerischen Waldbesitzerverband verdient. Was allerdings in Dürrenmungenau erwirtschaftet wird, wird zum Unterhalt des Schlosses verwandt. „So kann es zwar sein, dass kein Cash in der Gutskasse ist und wir Renovierungsprojekte verschieben müssen – aber wir müssen keinen Kredit abbezahlen, brauchen keine zehn Angestellten. Vielleicht arbeiten wir uns selbst ein bisschen auf – aber wir haben keinen Klotz am Bein“, freut sich Viktoria Körner. Diese Unabhängigkeit hilft ihnen jetzt, in Corona-Zeiten, besonders: Die Gartenmesse fand nicht statt, der Weihnachtsmarkt ist abgesagt, im Osten sind die Kiefern krank, und der Wolf hat den Wildbestand so reduziert, dass keine Jagden stattfinden können. 2020 ist ein Jahr, in dem sich ihr Konzept der Diversifikation besonders bewährt hat, da Hochzeiten und Spargel zumindest reduziert stattfanden. 2021 wird hoffentlich besser – und ganz sicher anders. Amelie will in Hongkong eine kaufmännische Lehre machen, Sophie hat einen Studienplatz in Hamburg, Luise und Ludwig gehen in Schleswig-Holstein ins Internat. In den Ferien aber kommen sie alle zurück nach Dürrenmungenau. Mit vielen Erfahrungen und voller Ideen.