Schloss blumenstein

Das „Trachten–Schlösschen“

Alpenländische Model und der Mut zum neuen Anfang führten zum weltweiten Erfolg der „Salzburger Handdrucke Jordis“. Stefan Freiherr Jordis v. Lohausen und seine Frau Andrea führen das Unternehmen nun in dritter Generation. Ebenso lang vereint die Familie Wohnen & Arbeiten unter dem Dach von Hof Blumenstein im Herzen Salzburgs.

Von Dorothee Gr fin v. Walderdorff

Hans Freiherr Jordis v. Lohausen (1894–1984) war, ziemlich ungewöhnlich für einen Österreicher, ein begeisterter Seefahrer. Im Ersten Weltkrieg, als ganz Dalmatien bis zur albanischen Grenze noch zur Doppelmonarchie Österreich-Ungarn gehörte, war der in der Oststeiermark geborene junge Mann in Pula/Kroatien stationiert und fuhr als Offizier zur See. Als er nach verlorenem Krieg im Jahre 1918 in die heimatliche Steiermark zurückkehrte, war sein Land in Angst und Armut erstarrt. Jordis fand Arbeit in der Land- und Forstwirtschaft und schließlich als Handelsreisender verschiedener Textilbetriebe. Auf seinen Reisen durch ganz Österreich knüpfte er Kontakte zu vielen Kaufleuten, später kam ihm das zugut.

Anfang der 1930er-Jahre stieß der tatkräftige junge Mann zum ersten Mal auf Leinenhanddrucke. Er war fasziniert von der alten Handwerkskunst, die schon damals durch schnellere und bessere Druckverfahren ersetzt worden war. Auf Speichern und in den Kellergewölben alter Schlösser und Pfarrhäuser suchte Jordis nach alten Handdruckmodeln. Das sind Holzdruckstöcke, in die in feiner Schnitzarbeit alpenländische Muster, Blumenranken und Jagdmotive graviert oder mit Metallstiften gestanzt wurden. Mit diesen Handdruckmodeln wurden einst Baumwoll- und Leinengewebe, später sogar Seide, bedruckt. Bis heute dienen die alten Druckmodel als Vorlage im Traditionsunternehmen „Salzburger Handdrucke Jordis“.

Hofgarten

Mit einem großen Fundus an Holzmodeln gründete Jordis mit einem Geschäftspartner eine Firma und konnte 1937 in Graz seine erste Ausstellung von Stoffdrucken präsentieren. Doch der Zweite Weltkrieg machte alles wieder zunichte. Hans Jordis wurde zur Deutschen Wehrmacht einberufen (Österreich gab es ja nicht mehr!) und diente bis Kriegsende als Korvettenkapitän. Unversehrt aber zum zweiten Mal in seinem Leben vor dem Nichts stehend, kehrte er aus dem Krieg zurück.

Mit seiner Frau Margarethe, geb. Freiin v. Eiselsberg, die er schon 1934 geheiratet hatte, übersiedelte die junge Familie nach Schloss Steinhaus bei Wels. Hans Jordis ließ sich nicht entmutigen. Abermals baute er sein Unter nehmen auf. Mit Erfolg. Die Nachfrage nach bedruckten Stoffen wuchs stetig und Hans Jordis beschloss mit seiner Familie nach Salzburg zu ziehen. Der Sprung in die Stadt zahlte sich aus. Schon bald galt die Firma „Salzburger Handdrucke Jordis“ als eines der prosperierendsten Nachkriegsprojekte, auf das auch Harriet Gräfin Walderdorff aufmerksam wurde.

Anlage

„Der Goldene Hirsch“

Grenzenlos optimistisch, vielleicht aber auch in weiser Voraussicht kaufte Harriet Gräfin Walderdorff mit ihrem Mann „Manny“ (Emanuel) zu Beginn des Zweiten Weltkriegs ein damals ziemlich verfallenes Gasthaus im Herzen Salzburgs.

Die Nazis besetzten Österreich, Europa versank im Bombenhagel – Harriet Walderdorff aber behielt ihren Glauben an eine bessere Zukunft, sammelte alte Bauernmöbel und entwickelte Visionen für ihr zukünftiges Hotel. Kaum war der Krieg vorbei, begann sie mit Renovierungsarbeiten und verwirklichte eigenwillig ihren Stil. Statt mit opulenter Extravaganz wurden die Zimmer ländlich und einfach eingerichtet, statt persischer Teppiche ließ sie aus Stoffabfällen bunte Fleckerlteppiche weben.

Und als es dann um passende Vorhänge, Bezüge und Tischdecken ging, verabredete sich Gräfin Walderdorff mit Hans Freiherrn v. Jordis.

„Hans und Harriet“ waren ein gutes Team. Sie inspirierten sich gegenseitig und hatten ein gemeinsames Ziel: die Wiederbelebung alpen-ländischer Tradition. Die mit alpenländischen Mustern bedruckten Stoffe in fröhlichen Farben vermittelten das Gefühl einer Rückkehr in eine heile Welt, die im Krieg so schmerzlich verloren gegangen war.

Man kann sich gut vorstellen, wie die beiden unter Hunderten von Modeln nach Mustern und Motiven suchten, in Stoffen und Farben schwelgten und sich gegenseitig zu einer kleinen Revolution ermutigten: High Class im urigen Charme einer Jagdhütte.

Auch die Suche nach einem passenden Logo für das Hotel wurde zur gemeinsamen Aufgabe. Beim Zubettgehen mit Blick auf die Holzschnitzereien am zirbenen Kopfteil des Ehebettes hatte Jordis die zündende Idee: „Ein springender Hirsch über der Festung Hohensalzburg im barocken Rahmen.“ Mit einem Hauch von Eleganz wurde daraus der „Goldene Hirsch“.

Am 29. April 1948 wurde das Hotel in der Getreidegasse eröffnet. Tracht und alpenländisches Brauchtum wurden salonfähig, Harriet Gräfin Walderdorff und Hans Freiherr Jordis v. Lohau-sen erfolgreich.

Umzug in den Hof Blumenstein

Schon 1956 konnte Hans Jordis mit seiner Frau Margarethe den Hof Blumenstein, ein barockes Schlösschen am Fuße des Kapuzinerberges, erwerben und ihr Lebensmodell „Wohnen und arbeiten unter einem Dach“ verwirklichen. Sie zogen mit ihren vier Kindern in das Obergeschoss, die Firma ins Erdgeschoss und die vielen gesammelten Handdruck-Model aus dem alpenländischen Raum wurden im Dachgeschoss an die Wand gehängt.

Familie und Firma gediehen. 1967 konnte Hans Freiherr v. Jordis seinem ältesten Sohn Hans-Andreas, der schon einige Jahre beim Vater in die Lehre gegangen war, ein gut florierendes Unternehmen übergeben.

Mit derselben Leidenschaft wie sein Vater führte dieser die Firma weiter, eroberte mit farbenfrohen Kollektionen und jagdlichen Mustern neue Märkte in Europa, Amerika bis nach Japan. Gleichzeitig erweiterte Hans-Andreas Jordis das Sortiment. Neben Bezugs- und Vorhangstoffen wurden jetzt auch leichtere Materialien für Dirndl, Blusen, Tücher sowie Tisch- und Bettwäsche bedruckt.

Dem bewährten Konzept seiner Eltern folgend lebte auch er im Generationenmodell mit seiner Frau Dkfm. Mag. Helvig geb. Erzherzogin von Österreich und ihren drei Kindern im Hof Blumenstein, nur eine Tür und ein Stockwerk von der Firma entfernt. Dies ermöglichte nicht nur dem Unternehmer den schnellen Sprung von der Firma zur Familie, sondern auch seiner Frau Helvig, ihren Mann tatkräftig zu unterstützen und ihm bei Fachausstellungen im In- und Ausland als kompetente Hilfe zur Seite zu stehen.

Auch Stefan Jordis, der älteste Enkel des Firmengründers, wuchs mit der Firma auf. Seine Ausbildung in der Textilbranche ließ hoffen, aber, das betont Frau Andrea bei unserem Telefonat: „Gepresst wurde er in die Rolle des Nachfolgers nie.“ Im Gegenteil: „Meine Schwiegereltern ließen ihrem Ältesten immer freie Wahl. Die einzige Bedingung war, dass er bis zu seinem 25. Geburtstag im Jahre 2000 entscheidet, wohin sein Weg geht!“

Gemäldegalerie

„Hirsch geht immer!“

Und er wusste es. Es fügte sich geradezu wunderbar. Bei einem Fest der Malteser, für die sich die Familie Jordis seit Jahrzehnten engagiert, begegnete der Salzburger, der gerade erst 19-jährigen Andrea Jütte aus Wien. Die junge Frau hatte ihr Hobby Nähen zum Beruf gemacht und arbeitete in der Textilbranche. Sie im selbst genähten Dirndl, er im Trachtenjanker, so kamen sie sich beim Thema Stoffe näher. Die Malteser sind ein weiteres Bindeglied … „Passt!“, sagt der Österreicher in solchen Fällen.

Nach der Hochzeit zogen sie zu seinen Eltern in den Hof Blumenstein, das Generationenmodell wird fortgesetzt. 2001 trat Stefan Frhr. v. Jordis in die Firma ein. Zwei Jahre später übertrug ihm sein Vater Hans-Andreas die volle Verantwortung und schied nach genau 50-jähriger leidenschaftlicher Tätigkeit im Textilbetrieb aus der Firma aus. Kurz danach wurde ihr ältester Sohn Stanislaus geboren, zwei Jahre später folgte Valentina, dann der heute fast zwölfjährige Fridolin. Vieles bleibt, einiges ändert sich aber doch. Als erste Textilfachfrau arbeitet Andrea Jordis in der Firma voll mit. Sie ist die Kreative, er der Betriebsführer und Marketingchef. Beim Mittagessen tauschen sie ihre Ideen aus, wird ihr Bauchgefühl auf Rentabilität geprüft, bevor z. B. ein blaugrüner Hirsch in Druck gehen kann. Bei der Entscheidung für neue Muster und Farben kann sich die Stoffdesignerin auf ihre Intuition verlassen – ebenso wie auf die Tatsache: „Hirsch geht immer!“ Allerdings sind die Jordis-Hirsche längst nicht mehr allein auf dem Markt. Und die in Massen produzierte Kopien aus Asien sind deutlich billiger als die in Österreich und Deutschland bedruckten Qualitätsstoffe aus Salzburg. Was schwierig war, wurde mit Corona noch schwieriger. „Wer kauft sich schon ein neues Dirndl, wenn keine Hochzeiten, Taufen und Feste stattfinden?“, klagt die Unternehmerin.

Masken im Alpen-Chic

In der ersten Corona-Welle stürzten sie sich noch auf eine schnell hochgefahrene Maskenproduktion. Quasi über Nacht richteten sie einen Onlineshop ein. Die ganze Familie und alle Mitarbeiter nähten und verpackten den Mund-Nasen-Schutz im Alpen-Chic. Dann jedoch wurden die FFP2-Masken verpflichtend, und die neue Geschäftsidee sank in sich zusammen, wie Salzburger Nockerl, wenn sie kalt werden.

„Jetzt zahlt sich aus, dass der Schwiegervater die Firma auf mehrere Beine stellte. Man braucht zwar kein neues Dirndl, aber wer monatelang daheim auf seine Vorhänge starrt, ist die alten leid und wünscht sich neue. Nach vielen Jahren, in denen jagdliche Muster boomten, stehen wir jetzt vor große Herausforderungen“, erklärt Andrea Freifrau v. Jordis am Ende unseres langen Telefonats. Aber: „Immer wenn wir müde werden, erinnern wir uns an den Firmengründer und seinen Mut, zum neuen Anfang.“