Schloss bothmer

Ein Hauch Glamour vom Buckingham Palace

Nur fünf Kilometer südlich der Ostsee, nahe des Städtchens Klütz, liegt Schloss Bothmer. Namensgeber und Bauherr war der berühmte Diplomat Graf Hans Caspar von Bothmer. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere diente er als deutscher Statthalter von King George I. Mit dem baro­cken Landschloss samt prächtigen Park brachte er ein Stück britischen Glanz nach Mecklenburg.

Von Christian Personn

"London calling“ – der Welthit der britischen Punkband The Clash von 1979 geistert einem sofort durch den Kopf, wenn man auf den rötlich schimmernden Schlossbau bei Klütz zukommt. Das Empire hat hier, mitten in der schütter bevölkerten Landweite von Mecklenburg, eine ziemlich eindrucksvolle Präsenz hinterlassen. Es ist der Stammsitz der Familie von Bothmer. Und der wirkt, bei all der gebotenen britischen Noblesse der Architektur, ziemlich opulent. Ganz entsprechend der Lebensleistung des Grafen Anfang des 18. Jahrhunderts. Denn Hans Caspar von Bothmer war der deutsche Statthalter von King George I., ursprünglich Georg Ludwig von Braunschweig-Hannover, in London. Sozusagen die Rückversicherung der Welfen über ihre Macht in der Heimat.

Hofgarten

Streng genommen ist Schloss Bothmer überhaupt kein Schloss

Denn dieser Begriff ist Residenzen und Wohnstätten regierender Landesherren vorbehalten. Aber auch wenn Schloss Bothmer nie das Zuhause eines Herzogs war, so ist es doch das zwischen 1726 und 1731 entstandene Haus eines Königgleichen: Hans Caspar von Bothmer, einst ein niedersächsischer Adliger niedrigen Ranges, war maßgeblich daran beteiligt, dass George I. als relativ erfolgreich in die royale Historie einging. George hatte in London eine deutsche Kanzlei eingerichtet, die ab 1720 von Hans Caspar von Bothmer geleitet wurde. Die bis 1837 existierende Kanzlei sollte das effiziente Regieren im Kurfürstentum Hannover aus der Ferne ermöglichen. Denn der englische König hatte innenpolitisch ziemlich viel zu meistern: Zwei Aufstände der Schotten konnte er erfolgreich niederwerfen; systematisch begann er, die britische Kriegsflotte sowie das überseeische Kolonialreich auszubauen. Auch das für zwei Jahrhunderte die Politik prägende Zweiparteiensystem (Tories und Whigs) bildete sich unter ihm heraus. Politisch bewies Georg von Braunschweig-Hannover oft also ein glückliches Händchen, wahrscheinlich auch weil er sich seiner sicher sein konnte – dass nämlich in Hannover alles lief, wie er sich das vorstellte. Und so schlossen auch seine neuen Untertanen ihren Frieden mit „Lucky George“. Von Bothmer machte seine Arbeit für King George offensichtlich so erfolgreich, dass der ihn 1713 zum Reichsgrafen „beförderte“. Fortan häufte von Bothmer durch kluge Finanzgeschäfte und wahrscheinlich mithilfe von Insiderwissen ein märchenhaftes Vermögen an. Dieses Geld investierte er unter anderem in mecklenburgische Güter, so in die prachtvolle barocke Anlage in Klütz. Würde man den Wert aller Landkäufen derer von Bothmer mit heutigen Maßstäben messen, entsprächen sie einem Wert von 80 Millionen Euro. Da Hans Caspar vorwiegend in London lebte, erwarb sein Bruder Friedrich Johann ab 1721 viele Ländereien für die Errichtung eines Gutsbesitzes. Im Klützer Winkel war es die Familie Plessen, die ihren Besitz günstig anbot – sie litten unter den wirtschaftlichen Folgen des Großen Nordischen Krieges. Weitere Ländereien konnte von Bothmer durch einen Ehekontrakt mit der dort ebenfalls ansässigen Familie von Bülow hinzugewinnen. Der Sohn Friedrich Johanns und Neffe Hans Caspar Bothmers, Hans Caspar Gottfried, wurde mit Christine Margarethe von Bülow vermählt – als ihr Vater Oberstallmeister Hartwig von Bülow starb, ging das Gut Elmenhorst 1729 mit den weiteren Ländereien der von Bülows an die Familie von Bothmer.

Anlage

Das Schloss als Altersresidenz

Als sich Bothmer am Rande von Klütz seinen Landsitz errichten ließ, war er schon fast 70 Jahre alt. Seine Auslandserfahrungen und die Beschäftigung mit der Architektur früherer Jahrhunderte waren Gründe dafür, dass der Graf versiert und sehr konkret aus London Anweisungen zum Bau weitergab. Niederländische und englische Schlösser standen Pate. Von seinem Londoner Amtssitz aus konnte Hans Caspar Bothmer z. B. direkt zum Buckingham House sehen, dem Ursprungsbau des heutigen Buckingham Palace, wahrscheinlich eines der Vorbilder für die Mecklenburger Schlossanlage. Durch die Größe der Anlage besitzt das Bothmer’sche Schloss einen eindeutig repräsentativen Charakter, ist in seiner dann doch zurückhaltenden Gestaltung dennoch Guts- und Herrenhäusern in Mecklenburg und Schleswig-Holstein ähnlich.

Der Standort in Klütz wurde sowohl aus ästhetischen wie auch aus praktischen Gründen gewählt. Die sanft gewellte Hügellandschaft bot einen ansprechenden Rahmen für die Schlossanlage, in Klütz konnten Arbeitskräfte angeworben werden, auch die beiden Handelsstädte Lübeck und Wismar waren nicht weit entfernt.

Schloss Bothmer ist ein umfangreicher Komplex aus 13 einzelnen Baukörpern, die zu einer großen Gesamtanlage zusammengefügt sind. Den Mittelpunkt bildet das Corps de Logis, das über bogenförmige Galerien mit den nahezu würfelförmigen Kavaliershäusern verbunden ist. Dadurch entsteht vor dem Hauptgebäude ein nach Südosten geöffneter Ehrenhof. Auf die Pavillons folgen jeweils zwei siebenachsige Verbindungshäuser, an die sich weitere Kavaliershäuser anschließen und auf die im rechten Winkel je ein weiterer Verbindungsbau und ein Pavillon anstoßen. Gemeinsam bilden sie einen weiteren, fast 200 Meter breiten Hof.

Von außen betrachtet ist es die Symmetrie, die den Reiz des aus roten Backsteinen errichteten Gebäudes ausmacht. Verbunden mit eingeschossigen Galerien flankieren zwei Kavaliershäuser das Hauptgebäude, an die sich von Torhäusern abgeschlossene Seitenflügel anschließen. So entsteht ein weit geöffnetes, kantiges U, dessen Spiegelachse die Verlängerung der in Deutschland einzigartigen Festonallee ist. Der aus dem Französischen stammende Begriff Feston bezeichnet eine Girlande, deren Glieder in diesem Falle die sich berührenden und ineinander verwachsenen Äste der holländischen Linden bilden.

Wer die ganze Pracht dieser Anlage erfassen will, sollte zu Beginn eines Besuchs diese 270 Meter lange Allee entlanggehen, oder sagen wir besser: entlangschreiten. Bewegt man sich auf das Schloss zu, so geben die flankierenden Bäume zunächst nur den Blick auf die prächtige Mittelachse des Haupthauses frei.

Schritt für Schritt erweitert sich dann Stück für Stück das Sichtfeld. Schließlich im Ehrenhof angelangt, kann die Gebäudepracht nicht mehr auf einen Blick erfasst werden. Ein Paradebeispiel barocker Inszenierung, das seine Wirkung noch immer voll entfaltet. Sicher wusste Bauherr von Bothmer, dass er selbst aufgrund seines fortgeschrittenen Alters das Anwesen nicht mehr bewohnen würde. Trotzdem scheute er keine Mühe – sah er es doch als Investition in die Zukunft der Familie. Ihr hinterließ er seinen Wappenspruch „Respice finem“ – bedenke das Ende – auf dem Giebel des Mittelrisalits.

Für Schloss Bothmer ist es am Ende gut ausgegangen. Denn seine wechselvolle Geschichte hat ihren krönenden Abschluss in der Restaurierung zu der heutigen Vorzeigeanlage gefunden.

Gemäldegalerie

Viel Streit entfachte das Erbe von Hans Caspar in langen 300 Jahren

Hans Casparas Neffe Hans Caspar Gottfried und dessen Ehefrau Christine Margarethe waren die ersten Bewohner des Schlosses. Schon damals war der Grundbesitz bereits auf Veranlassung Hans Caspar von Bothmers zu einem Fideikommiss, also zu einer unveräußerlichen Erbmasse, umgewandelt worden. Das Schloss sollte stets an den ältesten männlichen Erben der Familie übergehen, der zugleich den Titel des Reichsgrafen erhielt. Dadurch konnte es aber bei Ausbleiben eines männlichen Erben zum Streit kommen; so wie bei Nachkomme Graf Christian Ludwig (1773–1848).

Der Konflikt entbrannte mit den Rantzaus aus dem benachbarten Schleswig-Holstein, als Kuno zu Rantzau-Breitenburg, der mütterlicherseits selber aus dem Haus Bothmer stammte, im Namen seiner Frau Amalasuntha von Bothmer deren Erbjungfernrecht durchzusetzen versuchte.

Rantzau und seine Frau lebten einige Jahre im Schloss, wobei es immer wieder zu gerichtlichen Auseinandersetzungen kam. Anfang 1852 ging der Besitz durch Vergleich auf einen männlichen Erben aus einem anderen Familienzweig über: Felix Gottlob Graf von Bothmer (1804–1876). Er stammte aus einer älteren Seitenlinie und musste sich für die juristische Durchsetzung seines Rechts stark verschulden, sodass er nach Antritt der Majoratsherrschaft in Konkurs gehen musste, der Fideikommiss auf Anweisung der Landesherrschaft unter Zwangsverwaltung gestellt und Karl von Maltzahn, der Erste Direktor des Mecklenburgischen Patriotischen Vereins als Konkursverwalter, eingesetzt wurde.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts bestand Bothmer samt den dazugehörigen Gütern aus mehr als 7800 Hektar Grundfläche. In der Majoratszeit Graf Alfreds kamen die Hausherren, ausgelöst durch den Ersten Weltkrieg, in finanzielle Schwierigkeiten, die durch die Folgen der Weltwirtschaftskrise noch verschlimmert wurde. Die Folgen: Die umfangreiche Schlossbibliothek wurde 1928 in Hamburg versteigert, zahlreiche Güter wurden veräußert. 1934 übernahm Graf Ludwig als letzter Majoratsherr den verkleinerten Besitz.

Das Anwesen blieb bis 1945 in den Händen der Familie, wurde nach dem Krieg Krankenhaus und später Seniorenheim. Aufgrund des maroden Zustands des Gebäudes musste dies 1994 geschlossen werden. 1998 ordnete die Landesregierung eine denkmalgerechte Sanierung an – zu dem symbolischen Preis von je einer D-Mark gingen Schloss und Park an einen privaten Käufer. Der allerdings konnte nichts von seinen hochtrabenden Plänen (Schlosshotel, Golfanlage) realisieren. Das Schloss wurde wieder Eigentum des Landkreises Nordwestmecklenburg, der Park der Stadt Klütz.

Die neuen Eigentümer ließen Schloss und Parkanlage restaurieren

Aufwendige Stuckarbeiten an Decken und Kaminen, Intarsien, Reliefs und Paneele zeugen so heute von barocker Üppigkeit. Bis 2012 dauerten die Arbeiten (Kosten: 36 Millionen Euro), am 23. Mai 2015 wurde die strahlende Anlage für Besucher eröffnet.

Die Ausstellung des Schlossmuseums zeigt seitdem in 20 Räumen des Corps de Logis die Baugeschichte des Anwesens und zeichnet das bewegte Leben des Bauherrn Hans Caspar von Bothmer nach.

So ist der Erbauer des Schlosses Hans Caspar von Bothmer irgendwie doch noch in sein Anwesen eingezogen. Sein Londoner Domizil allerdings, damals Bothmar House genannt, ist noch bekannter als das eindrucksvolle Herrenhaus nahe der Ostsee. Die Adresse: Number 10, Downing Street.