Schloss diersburg

Kontinuität wahren – Neues wagen

Auf dem Philippshof in Baden bewirtschaften Hans-Christoph Freiherr Roeder v. Diersburg und seine Frau Stefani mit ihrem Sohn Felix ihr Weingut „Freiherr Roeder v. Diersburg“ und bieten viele Gelegenheiten zur genüsslichen Weinverkostung.

Von Stephanie v. Selchow

Schon die Römer hatten sich diesen Platz für ihr Signalfeuer ausgesucht: Von der Ruine Diersburg aus hat man einen herrlich weiten Blick ins Land. Am Horizont kann man sogar den spitzen Turm des Straßburger Münsters im Elsass sehen. Die Ruine thront auf einem Hügel am Ende des Diersburger Tales. Dieses kleine Seitental des Schwarzwaldes wiederum liegt mitten in Baden zwischen Rheinebene und Kinzigtal. Die Burg wurde 1197 zum ersten Mal als „Stein von Tiersperc“ erwähnt, bis heute gehört die Ruine den Freiherrn Roeder v. Diersburg.

Nur noch erahnen lässt sich, dass hier einst eine mittelalterliche Doppelburg stand: ein eindrucksvolles Zeugnis südwestdeutscher Baukunst, das leider im Dreißigjährigen Krieg zerstört wurde. Der damalige Burgherr, Franz Sebastian Roeder v. Diersburg, musste fliehen – nach eigener Aussage „schwer malträtiert, barfuß und im Nachthemd“. Doch schon bald konnte einer seiner Nachfahren in sein Heimattal nach Diersburg zurückkehren. Mit den herabgefallenen Steinen der Burg baute er 1659 ein Wohnhaus am Eingang des Tales und fing mit den zwölf Dörflern, die den Krieg überlebt hatten, neu an. Die nachfolgenden Generationen erweiterten das Haus nach Bedarf. Die heutige barocke Form entstand um 1750.

Gegenwärtig leben und arbeiten auf dem heute sogenannten Philippshof Hans-Christoph Roeder v. Diersburg und seine Frau Stefani. Ihr ältester Sohn Felix (31) arbeitet schon im Weingut mit, Octavia (29), Helena (27) und Conrad (24) studieren. Weinbau betreibt die Familie bereits seit über 660 Jahren – die Ersterwähnung Roeder’schen Weins stammt aus dem Jahr 1357. Doch der gegenwärtige Hausherr ist der Erste der Roeder v. Diersburgs, der an der renommierten Weinbauhochschule in Geisenheim studiert hat und den eigenen Betrieb professionell führt. Der Baron kennt jeden Handgriff in seinem Betrieb und kann, wenn es darauf ankommt, alle anfallenden Arbeiten selbst erledigen: in den Weinbergen, den Wein- und Sektkellern unter dem Philippshof und nicht zuletzt bei Vermarktung und Kundenpflege. Er wird tatkräftig von seiner Frau Stefani und Sohn Felix unterstützt, ist aber zurzeit der Einzige, der mit dem Schmalspurschlepper direkt in den Reben fahren kann: vor allem in Hanglage nicht immer einfach.

Hofgarten

Hans-Christoph und Stefani Frhrn. v. Roeder haben den Hof von Albert (1925–2014) und Annehete v. Roeder (1928–2019) übernommen, die nach dem Zweiten Weltkrieg mit Fleiß, Geschick und Gespür den Grundstein für den jetzigen Weinbau-Betrieb legten. So war es „gut und richtig“, wie Stefani Roeder sagt, dass die Senioren nach der Übergabe an ihren Sohn 1990 die Möglichkeit hatten, über viele Jahre aus dem Betrieb herauszuwachsen, während ihr Mann und sie selbst in die vielfältigen Aufgaben hineinwachsen konnten. Die Baronin ist noch heute dankbar für das Miteinander der Generationen.

Das Roeder’sche Weingut ist das südlichste in der Weinbauregion Ortenau; die Roeders nennen 8 Hektar Weinberg ihr Eigen. Berühmt ist die Schlossberglage, deren Urgesteinsverwitterungsboden einen mineralischen Wein hervorbringt. Jeder Rebstock wird mit Liebe gepflegt, die meisten Arbeiten und vor allem die Weinlese werden ausschließlich von Hand ausgeführt. Bald nach der Lese reift der Weißwein in Edelstahlfässern und der rote in eichenen Barriques in den Kellern unter dem Wohnhaus. Der Wein wird im eigenen Betrieb ausgebaut, abgefüllt und ausgestattet, und der Sekt wird noch von Hand gerüttelt. „Bis eine Weinflasche verkauft wird, wurde sie 35-mal in die Hand genommen“, sagt der Hausherr stolz.

Anlage

Bei ihm ist der Kunde ist König …

… und darf auch am Wochenende kommen, etwa samstagnachmittags. Dann geht er, Felix oder seine Frau mit ihm ins Weinlager, berät und verkauft. „Eine strikte Trennung zwischen Berufs- und Privatleben gibt es bei uns nicht“, erklärt Hans-Christoph Roeder. „Wir leben gerne so, aber das muss einem auch liegen“, sagt er.

Auch auf dem Postweg wechseln die Weinflaschen den Besitzer. Das ist nicht schwer, denn auf dem Philippshof liegt seit einigen Jahren auch das Postamt von Diersburg. Der Roeder’sche Wein wird bewusst nicht an den Handel, sondern ausschließlich an Privatkunden und in die Gastronomie verkauft: „Das kam uns in der Coronazeit wieder sehr zugute“, erzählt der Baron. Er und seine Frau Stefani, geborene Freiin v. Gaisberg-Schöckingen, haben ihren Kundenstamm über Jahrzehnte aufgebaut und gepflegt.„Die Grenzen zwischen Familie, Freunden und Kunden sind fließend“ sagt der Hausherr. Regelmäßig unternimmt er Touren nach München, an den Bodensee und nach Hessen, beliefert seine Kunden persönlich und hält so den Kontakt. Legendär ist inzwischen auch die barocke Einrichtung des Roeder’schen Messestands samt Ahnenbildern auf der Weinmesse München, bei der die Roeders nie fehlen.

Zum Besitz gehören neben den Reben auch 130 Hektar Wald an den Hängen des Tals, von denen die vorige Generation noch ganz gut leben konnte, wie die Baronin erzählt. Bis 1999 Orkan Lothar heftige Verwüstungen in Baden-Württemberg, Frankreich und der Schweiz anrichtete.

Feste, Hochzeiten, Jubiläen …

Das war der Startschuss für die Vermietung des schönen Innenhofs und Gartens des Philippshofs für freie Trauungen, Hochzeiten, Feste und Geburtstage. Das barocke Haus voller Ahnenbilder ist von einer grünen, parkähnlichen Rasenfläche umgeben, die sowohl die Roeders als auch die Gemeinde gerne erhalten wollen. „Seit Jahren wird auf dem Philippshof von Mai bis August jedes Wochenende ein Fest gefeiert“, erzählt Stefani Roeder v. Diersburg. Am ersten Mai findet traditionell ein Benefiz-Flohmarkt des Lions Clubs Offenburg auf Hof und Wiese statt, zu dem in Nicht-Corona-Jahren bis zu 1500 Menschen kommen. Im Juli veranstalten die Hausherrn gerne stimmungsvolle Abendkonzerte auf dem Hof, im August einen Heimatabend mit einem regional-kulturellen Thema. Weinproben und Weinfeste sind ohnehin Usus, und auch der Adventsmarkt mit Kranz- und Baumverkauf fehlt nicht.

„Es macht mir Spaß, ich liebe Menschen“, sagt die Hausherrin der vielen Arbeit zum Trotz und wirkt glücklich dabei. Sie kennt die meisten Einwohner ihres 1700 Seelen-Dorfes, zu denen auch die Schwester ihres Mannes mit ihrer Familie gehört: Sie lebt in einem ehemaligen Roeder’schen Haus vor Ort.

Gemäldegalerie

Die Tradition wird fortgeführt

Die Roeders freuen sich, dass sich ihr ältester Sohn Felix während seines Zivildienstes entschieden hat, den Betrieb fortzuführen: Seit 2018 ist er fest mit eingestiegen. „Haus, Hof, Dorf und Weinberg sind ein Anker, und es ist schön, Teil einer langen Familienkette zu sein“, sagt der 31-Jährige. „Außerdem reizt es mich, Winzer, Betriebswirt und Gutsherr in einem zu sein und zu werden.“ Auch Felix hat in Geisenheim studiert, machte während seines Studiums ein Praktikum auf einem Weingut in Oregon in den USA und sammelte danach sowohl Erfahrungen auf Weingütern in Südtirol als auch im Burgenland, um Inspiration für seinen persönlichen Weinstil zu finden. Gerade hat er am Tag der offenen Tür, zu dem traditionell all seine Geschwister nach Hause kommen, zum ersten Mal seine Selektionsweine aus dem Jahr 2019 präsentiert: Das Interesse war groß.

Wie seine Eltern ist auch Felix ein umtriebiger Netzwerker und Menschenfreund. Dank ihm hat das Weingut schon viele Hundert Follower auf Facebook und Instagram. „Ich möchte neue Kunden hinzugewinnen und den Kundenstamm weiter wachsen lassen“, erklärt der junge Baron. „Und möglichst vielen von ihnen auch vor Ort unsere Produktion zeigen: Hierfür bietet sich die Weinwanderung in den Rebbergen mit integrierter Probe ganz besonders an.“

Nicht zuletzt ist der alte Stich, der auf dem Etikett jeder Roeder’schen Weinfl asche abgebildet ist, ein Zeichen für Kontinuität: Darauf sind sowohl der im Tal gelegene Meierhof als auch die Ruine Diersburg auf dem Hügel zu sehen. Mal mehr, mal weniger gepflegt, wurde 2020 eine Sicherung und Sanierung der alten Mauerreste notwendig, um das Herabfallen der Steine auf ein darunterliegendes Wohnhaus zu verhindern. Dafür hat Stefani Roeder Fördergelder vom Staat, dem Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, der Denkmalstiftung Baden-Württemberg und der Gemeinde im Wert von insgesamt 300 000 beantragt und erhalten. Der kurze Aufstieg zur Ruine lässt die Vergangenheit vor dem inneren Auge aufleben, und oben weht eine Fahne in den rot-weißen Wappenfarben der Familie. Ihr Wahlspruch „Recht, gerecht, aufrecht“ ist auch heute noch eine gute Orientierung, finden die Roeders. Unternehmerisch, wie sie sind, schmieden sie bereits Pläne für eine neue Nutzung des wildromantischen Gemäuers, in dem die Geschichte ihrer alten Familie einmal begann.