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Rokoko & Kalter Krieg

Schloss Schönhausen ist ein Juwel des Rokoko. Nach einer wechselvollen Geschichte ist es heute einzigartiges Museum für mehr als drei Jahrhunderte preußischer und deutscher Geschichte.

Von Dorothee Gräfin v. Walderdorff

Es war ihr Sehnsuchtsort. Nach Schloss Schönhausen zog sich Königin Elisabeth Christine zurück, wenn sie frei von Repräsentationspflichten und vor allem aus der Sichtweite ihres Gemahls sein wollte. Ihre Ehe stand unter keinem guten Stern. Kurz nachdem Friedrich II. im Jahr 1740 den Thron bestiegen hatte, schenkte er seiner Frau Schloss Schönhausen als Sommersitz – und herrschaftliches „Abstellgleis“.

Die weitläufige Schlossanlage in Berlin-Niederschönhausen, 1660 von den Grafen Dohna-Schlobitten erbaut, wurde zum Refugium der ungeliebten Königin. Hier verbrachte sie im Kreise ihrer Hofdamen die Sommermonate, empfing hochrangige Gäste, lud zu Theateraufführungen und Konzerten ein.

Im Siebenjährigen Krieg (1756–1763) wurde Schloss Schönhausen geplündert und verwüstet. Nach dem Frieden von 1763 gewährte Friedrich der Große seiner Gemahlin als Dank für ihre Verdienste während der Kriegsjahre eine groß zügige Summe zum Wiederaufbau ihres Lieblingsschlosses. Elisabeth Christine wusste die Gunst der Stunde zu nutzen und ließ Schönhausen zur vorzeigbaren Residenz ausbauen. Sie erweiterte die Schlossanlage auf nahezu das Doppelte. Die beiden Seitenflügel wurden auf die Höhe des Haupthauses gebracht, der Hof mit einer elegant geschwungenen Doppeltreppe überbaut. Dann beauftragte sie den jungen, begabten Johann Michael Graff mit Stuckarbeiten. Unter seinen Händen entstanden Meisterwerke des späten Friderizianisches Rokoko.

Jedes Jahr von Juni bis September belebte Elisabeth Christine Schönhausen mit ihrer rund 50-köpfigen Hofgesellschaft und vielen illustren Gästen. Mit dem Tod Friedrichs II. im Jahr 1786 erfuhr die Königin-Witwe endlich die Akzeptanz in der Familie, die ihr „sein“ Leben lang verwehrt war. Schönhausen wurde zum Familienmittelpunkt. Ihr Neffe und Nachfolger Friedrichs des Großen, Friedrich Wilhelm II., besuchte seine „alte Tante“ häufig, feierte 1787 in Schönhausen seinen Geburtstag mit einem großen Ball im festlich illuminiertem Park. 50 lange Sommer verbrachte sie auf Schloss Schön hausen. Gestorben ist Königin Elisabeth Christine allerdings im Berliner Schloss, am 13. Januar 1797. Auch nach ihrem Tod blieb Schloss Schönhausen beliebte Sommerresidenz der Königsfamilie. 1823 zog der Herzog von Cumberland mit seiner Familie ein, der Park erlebt eine neue Blüte. Dann aber, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, verliert der königliche Sommersitz an Attraktivität. Im November 1918 wird Schloss Schönhausen in Staatsbesitz überführt.

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Depot für „entartete Kunst“

Der Künstlerbund Pankow-Schönhausen entdeckte das unbewohnte Schloss für Kunstausstellungen. Es wurde saniert und im Oktober 1936 als Ausstellungsgebäude der Reichskammer der bildenden Künste feierlich wieder eröffnet. Im ersten Obergeschoss von Schloss Schönhausen stellte der „Kunstdienst“ die Werke regimekonformer Künstler aus. Gleichzeitig und quasi nebenan lagerte die größte Ansammlung „entarteter Kunst“, die es ja gab. Die Nationalsozialisten nutzten den herrschaftlichen Rahmen, um internationalen Kunsthändlern mehr als 780 enteignete Werke herausragender Künstler des frühen 20. Jahrhunderts zu verkaufen.

Sitz des DDR-Staatspräsidenten

1945 beschlagnahmte die sowjetische Militärverwaltung das Schloss und übergab es mit Gründung der DDR am 7. Oktober 1949 an die neuen Machthaber. Schloss Schönhausen wurde Amtssitz des ersten Staatspräsidenten der DDR, Wilhelm Pieck – und erlebte die einschneidendsten Veränderungen seiner langen Geschichte. Der neue Schlossherr, Sohn eines Kutschers und einer Waschfrau, verheiratet mit der Schneiderin Christine Häfker, schätzte biedere Behaglichkeit. In seinem präsidialen Amtszimmer im ersten Obergeschoss umgab er sich mit klobigen Möbeln aus Nussbaum. Auf seinem martialisch großen Schreibtisch thronte eine moderne Telefonanlage mit direkter Verbindung zum Ministerium für Staatssicherheit. In seinen privaten Räumen wollte „Papa Pieck“ auf die gewohnte dunkelbraune Schrankwand nicht verzichten, erkannte allerdings auch die imponierende Wirkung des königlichen Ambientes in Sälen und Salons. Zum Angeben war der königliche Glanz den Mächtigen der Arbeiterklasse recht.

Mit dem Bau des Staatsratsgebäudes in Berlin-Mitte verlor Schloss Schönhausen jedoch seine Funktion als Sitz des Staatsoberhaupts der DDR. Es wurde Gästehaus für Staatsgäste. „Moderne Badezimmer“ in zeitgemäßem Dunkelblau wurden eingebaut, vor allem aber die Abhöranlage ausgebaut. Längst wurde Schloss Schönhausen nicht nur bewacht, sondern vor allem auch überwacht. Zweimal übernachtete Fidel Castro in den königlichen Gemächern und 1976 sogar Indira Gandhi, die als erster weiblicher Staatsgast das Protokoll vor große Herausforderungen stellte. Im Vergleich zu Schloss Augustusburg in Brühl, wo die aufstrebende Bundesrepublik J. F. Kennedy und die Queen empfing, kamen über die Jahre hinweg nur wenig bedeutende Staatsgäste nach Schönhausen. Nur noch einmal, im Oktober 1989, stand Schloss Schönhausen im Licht der Öffentlichkeit. Michail Gorbatschow reiste nach Niederschönhausen, um den alten Herren die Leviten zu lesen. Wenige Tage danach brach die SED-Diktatur unter dem Druck der Demonstrationen in sich zusammen. In Schloss Schönhausen versammelten sich später die Teilnehmer der Zwei–plus-vier-Verhandlungen, um die Wiedervereinigung zu gestalten.

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Wiederaufbau als Museum

Es war ein weiter Weg, bis nach vielen Verhandlungen und der Abspaltung etlicher Nebengebäude das Schlossgebäude sowie der von einer Mauer umgebene innere Garten 1996 an die Stiftung Preußischer Schlösser und Gärten (SPSG) gingen. Mit einem „Fördermittelcocktail“, in das die großzügige Spenden der Cornelsen Kulturstiftung, der Stiftung Deutsche Kassenlotterie Berlin und des Berliner Senats flossen, wurden Gebäude und Garten vom Frühjahr 2005 bis Ende 2009 saniert und kunstvoll restauriert. Schloss Schönhausen ist ein einzigartiges Museum geworden. Im Erdgeschoss erlebt der Besucher königlichen Glanz in prachtvollen, mit Stuck verzierten Rokokosälen, im Obergeschoss die kühle Demonstration von Macht – und Ohnmacht – während des Kalten Krieges. Dazwischen, wie eine Klammer zwischen dem 17. und 20. Jahrhundert, fanden die Kunstschätze der Fürsten, Burggrafen und Grafen zu Dohna-Schlobitten eine neue Heimat. Es ist der passende Ort für die auf abenteuerlichen Wegen geretteten Schätze des im Zweiten Weltkrieg zerstörten Dohna’schen Stammschlosses im ostpreußischen Schlobitten.

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In den 1660er-Jahren wurde Schloss Schönhausen von Sophie Theodore Gräfin zu Dohna-Schlobitten erbaut. Albrecht Christoph Graf zu Dohna stand von 1741–1752 als Oberhofmeister dem Hofstaat von Königin Elisabeth Christine vor und verbrachte viele Sommer in Schönhausen. Für Schlobitten und Schönhausen endete im Zweiten Weltkrieg eine über Jahrhunderte hinweg erhaltene Tradition. Was davon erhalten blieb, gilt es zu bewahren. „Rokoko und Kalter Krieg“ – die Kombination gewaltiger Gegensätze ist in Schloss Schönhausen gelungen.

Infos: https://www.spsg.de/schloesser-gaerten/objekt/schloss-schoenhausen