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Zeiten großer Unwucht

Glücklich, wer ein Stück Land hat: im April warten sie auf den großen Moment, wo das „Keimen und Ausschlagen“, das große Wunder der Natur beginnt.

Viktoria Freifrau v. dem Bussche-Ippenburg gen. v. Kessell

Der April ist der rechte und gesegnete Monat des Gärtners. Die Verliebten sollen uns ungeschoren lassen mit ihrem viel gepriesenen Mai; im Mai blühen die Bäume und Blumen nur, aber im April schlagen sie aus; glaubt mir, dieses Keimen und Ausschlagen, diese Knospen, Knösplein und Keimlinge sind die größten Wunder der Natur.“ Karel ˇCapek.

Der Aprilmonat war in den vergangenen Jahren oft sehr warm. Kein Wunder, denn die Aprilsonne steht genauso hoch wie die Augustsonne, nur ihre Heizkraft dringt noch nicht so richtig durch. Auch wenn uns nun der Übermut packt, sollten wir doch die Grabeforke noch so lange stehen lassen, bis der Boden seine Kälte und Nässe einigermaßen verloren hat. Wer ungeduldig ist und in den kalten und winterfeuchten Boden Erbsen oder Kartoffeln säet, der wird bestraft.

Im schlimmsten Falle fault die Saat, und es kommt gar nichts heraus, vielleicht ein paar zarte Keime, die dann aber gefressen werden von allerlei Getier, das mit einem Riesenhunger aus dem Winterschlaf erwacht ist und sich darauf stürzt. Geduld ist die Tugend des Gärtners, besonders im April, wo alle Zeichen auf Sturm stehen, wo alles „knospt und keimt und ausschlägt“. Zum Glück kann man sich die Wartezeit mit Aufräumen vertreiben. Da gibt es Arbeit genug. Die Rosen müssen geschnitten, der Boden um sie herum aufgelockert und gedüngt werden. Stauden und Gräser werden von altem Laub befreit. Aber Achtung: Die Gräser nie zu tief abschneiden, sie schützen das frische Grün mit ihrem alten Laub. Auch die Rosen sollte man lieber nicht zu sehr schneiden, wer weiß, was noch kommt – gerade im April müssen wir mit Frösten rechnen.

Wer es im Herbst nicht mehr geschafft hat, kann jetzt große Stauden teilen und damit ganz neue Beete komponieren. Der große Karl Foerster war überzeugt, „dass dieses unabsehbare Reich der Stauden die eigentliche große Instrumentation für jene feinste Kammermusik des Gartens liefert … Die ganze stilmäßige Universalität des Gartenreichs hängt also eng mit der Staude zusammen; sie liefert ja den Gegenspieler auch für die strenge Gartenkunst …“ Das hat auch und ganz besonders mit dem April zu tun. Er hat eine große Erneuerungskraft, die sich dem, der bereit ist, sich darauf einzulassen, mitteilt und die ihn mitreißt.

Gerade in Zeiten großer Unordnung, ja Unwucht – ein Wort das ich besonders schätze, weil es das Wort Wucht enthält – ist es gut, ein Stück Land zum Bebauen vor der Tür zu haben. Die großartige Forderung des „Candide“ von Voltaire: „Il faut cultiver notre jardin.“ Voltaire schrieb seinen „Candide“ unter dem Eindruck des Erdbebens von Lissabon, das eine internationale Krise auslöste. Die Welt schien aus den Fugen geraten. So wie heute. Glücklich, wer ein Stück Land hat! Wer keines hat, gehe auf die Pfaueninsel oder in andere prachtvolle Parks und erlebe das „Keimen und Ausschlagen“ und das umtriebige Tiergetümmel, das den Frühling feiert und lasse sich anstecken!

Die 20. Ippenburger Festivalsaison beginnt rund um den 1. Mai mit Farben, Fantasie, Ideen und Überraschungen. Vom 28. April bis zum 1. Mai 2017. Schloss Ippenburg, Schlossstraße 1 | 49152 Bad Essen. www.ippenburg.de