Beten, arbeiten & feiern auf dem Berghof
Der Berghof, mitten im fränkischen Trieb, ist ein Ort voller Leben und gelebtem Glauben.
Von Stephanie v. Selchow
Jeden Morgen gehen Hubertus Benecke und seine Frau Dorothea, geborene Lingenthal, von ihrem Zuhause, dem lang gestreckten Berghof in Trieb, die Straße hoch zum nordwestlich gelegenen „Schlösschen“: ein kompakter barocker Bau, der 1723 als Sommerresidenz der Äbte des Klosters Langheim erbaut wurde. Dort lebt jetzt ihr Sohn Ludwig Benecke zusammen mit seiner Frau Cecily, geborene Prinzessin zu Salm-Salm, und ihren vier Kindern.
Denn jeden Morgen um halb neun hält die Familie im „Schlösschen“ eine Andacht mit Gebet und Singen eines Psalms. „Das tut uns als Familie generationenübergreifend sehr gut“, sagt Benecke. „Jeder nimmt sein Ego nicht mehr so wichtig, wenn er spürt, dass er nach oben angebunden ist.“ Die Beneckes sind evangelisch, ihre Schwiegertochter ist katholisch.
Benecke wirkt gelassen. Dabei hilft dem Eigentümer des Berghofs wohl sein fester Glaube, ebenso wie die offensichtliche Tatsache, dass er sein Leben erfolgreich gemeistert hat. Der 62-Jährige ist mit drei Schwestern und einem Bruder im fränkischen 600-Seelen-Dorf Trieb nahe Bamberg aufgewachsen, hat Jura in Bonn studiert und den Berghof 1994 von seinem Vater übernommen. Dort haben Hubertus und Dorothea zehn Kinder bekommen, von denen eines leider mit einem halben Jahr an plötzlichem Kindstod gestorben ist. Ludwig ist ihr zweiter Sohn, der die Leitung des Berghofs dieses Jahr übernehmen wird. Dann ist er 36 Jahre alt.
Zum Betrieb gehören aktuell noch 60 Hektar landwirtschaftliche Fläche, 20 Hektar Teiche, 20 Hektar Wald und ein kleines Wasserkraftwerk in Hochstadt am Main. Das Land ist seit Kurzem an einen Biobauern verpachtet und die Teiche, in denen Karpfen gezogen werden, längst an einen professionellen Fischereibetrieb. Mit dem Ertrag des Waldes wird zurzeit die Hackschnitzelheizung im „Schlösschen“ in Gang gehalten sowie die Öfen und Kamine der Häuser. Benecke würde gerne auf einem seiner Felder eine Solaranlage bauen, um Biostrom einzuspeisen. „Vielleicht bewegt sich in der Energiekrise etwas in der Gemeinde“, wünscht er sich.Die Rechtsanwaltskanzlei, mit der Benecke zusätzlich seine große Familie versorgt und in der auch Sohn Ludwig mitarbeitet, hat er vor Kurzem in den oberen Stock des Berghofs verlegt. Jahrelang hat er in Hof gearbeitet – von Juli 1990 bis 1997 in einer Großkanzlei, die LPGS im Osten privatisierte, später in eigener Kanzlei.
Jetzt freut sich Benecke, dass die lange Fahrzeit nach Hof wegfällt und er zum Arbeiten nur noch in den ersten Stock gehen muss. Durch den unteren Stock zieht sich eine schöne Gewölbedecke: Der Berghof war seit dem frühen Mittelalter die Hofmeisterei des Zisterzienserklosters Langheim in klimatisch günstiger Lage am fränkischen Obermain. Nach einer Überlieferung des Klosters hat Bischof Egilbert von Bamberg den Zisterziensern 1142 „das Eigengut Trieb“ geschenkt. Hier lebten Laienbrüder, die in den landwirtschaftlichen Betrieben des Klosters, dem Klostergarten und der klostereigenen Brauerei arbeiteten und für den Erhalt der Gebäude sorgten. Sie wohnten, teilweise auch mit ihren Frauen, in der Hofmeisterei des Klosters, dem heutigen Berghof. Nach mehreren Bränden in Hussiten- und Bauernkriegen sowie dem Dreißigjährigen Krieg hatte Abt Gallus Knauer 1727 die zerstörte alte Hofmeisterei zusammen mit einer Hauskapelle nach Plänen des Coburger Baumeister Johann Georg Brückner neu aufbauen lassen. Etwas später wurde sie vom nachfolgenden Abt Martin Wolf erweitert. Nach der Säkularisation 1803 ging der klösterliche Besitz in Trieb in das Eigentum verschiedener privater Rechtsnachfolger über. Der letzte dieser Eigentümer, der mit dem Unterhalt der großen Gebäude überfordert war, suchte dann einen potenten Käufer für den großen Gutshof.
Das „Schlösschen“ wiederum gelangte zeitweilig in den Besitz des königlich bayerischen Generalmajors Johann Konrad Freiherr von Malsen. Seine Tochter Caroline war seit 1864 mit dem Dichter Viktor von Scheffel verheiratet, berühmt für sein „Frankenlied“.
Der Berghof wird Familiensitz der Beneckes
Im Jahr 1867 kaufte schließlich John Hermann Benecke aus Frankfurt am Main, Ururgroßvater des heutigen Besitzers, den ehemaligen Klosterbetrieb mit land- und forstwirtschaftlichen Nutzflächen. Er lebte meist in England, wo er an einigen familiengeführten Industriebetrieben, insbesondere Chemiefabriken, beteiligt war. Aber dann erkrankte seine Frau Katharina an Tuberkulose, und die Ärzte rieten dringend zu einer Luftveränderung. Über die nah verwandte Familie der Freiherrn von Dungern, die wenige Jahre zuvor das Gut Oberau in der Nachbarschaft erworben hatten, erfuhr John, dass der Berghof zum Verkauf stand. Da erschien ein Umzug nach Franken der richtige Schritt. Damals waren noch die katholische Kirche, der Pfarrer, Schule und Lehrer auf dem Berghof untergebracht.
John Herrmann, selbst Protestant, stiftete der katholischen Gemeinde die Kosten für die Errichtung einer neuen Kirche mit dazugehörigem Pfarr- und Schulhaus am Berghang an der alten Reichsstraße. Dort stehen die kleine Kirche, Pfarr- und Schulhaus als hübsches Ensemble noch heute. Leider aber wurde Katharina Benecke in der Landluft nicht wieder gesund. Nach ihrem Tod zog John in seine Heimatstadt Frankfurt zurück.
Sein Sohn Walter E. T. Benecke hatte in den 1860er-Jahren eine Farm in Iowa gekauft, die er dann wegen der Liebe zu einer jungen Deutschen, seiner späteren Frau Emma, geborene Keyl, wieder verkaufte. Walter erweiterte den Trieber Gutsbetrieb auf über 200 Hektar. Aus Amerika brachte er die Technik der sogenannten Hochsilos nach Deutschland mit – eins davon steht heute noch auf dem Hof. Außerdem erwarb er 1900 das „Schlösschen“ und den sogenannten Nassanger, die beide seit 1874 Baron Milckau gehörten. Dieser Nassanger, seit 1974 nicht mehr im Besitz der Familie, aber noch erhalten, ist ein einzigartiger barocker Rundbau: Er war als Zehntspeicher nach Bauplänen der im Barock in Süddeutschland bekannten Architektenfamilie Dientzenhofer errichtet worden – mit 365 Fenstern und zwölf Hoftüren!
„Mein Vater Walter hat den Betrieb dann 1949 mit 21 Jahren übernommen“, erzählt Hubertus Benecke. „Nach dem Krieg lebten viele Flüchtlinge bei uns, vor allem aus Galizien in der heutigen Ukraine und aus Sudetendeutschland.“ Jetzt richten die Beneckes seit 2018 in ihrem hübschen Innenhof ein jüdisch-messianisches Musikfestival aus, 2022 nach pandemiebedingten Unterbrechungen zum dritten Mal.
Benecke erzählt von „wachsender Freundschaft“ mit vielen Leitern der in Deutschland noch sehr jungen messianischen Bewegung. Seit Anfang des Jahrtausends engagieren er und seine Frau sowie Ludwig und Cecily sich in der in den USA gegründeten visionären Vereinigung „TJCII – Towards Jerusalem Council II“ (tjcii.de)
Diese setzt sich für die Gemeinschaft von Juden, die an Jesus glauben (messianische Juden), und Christen aller Konfessionen ein. Dorothea Benecke erklärt: „TJCII ist eine betende Einheitsbewegung. In ihrem Zentrum steht Jesus Christus.
Durch unsere Arbeit für diese Initiative wurden uns viele wertvolle Freundschaften und Erlebnisse geschenkt, vor allem aber wunderbare Beziehungen zu messianischen Juden. Diese Beziehungen und die Erkenntnis, dass wir aus einer gemeinsamen Wurzel gespeist werden, sind uns Helfer geworden, auch unsere inneren Mauern gegen Christen anderer Konfessionen und Denominationen einzureißen!“
Dorothea ist seit über zehn Jahren Präside der evangelischen Synode im Dekanat Michelau, zu dem 20 Gemeinden gehören, sowie Frauenbeauftragte des Dekanats und Prädikantin. Im Betsaal des Berghofs – den die Familie scherzhaft „Mehrzwecktorium“ nennt – finden seit über 100 Jahren regelmäßig ein Gottesdienst und derzeit jeden Mittwoch ein Friedensgebet für die Ukraine statt. „Hier wurde schon immer viel gebetet, aber auch viel und gerne gefeiert“, sagt Benecke und verweist auf den angrenzenden großen Saal, der wie gemacht ist zum Tanzen.
Dort hängen, neben anderen Ahnenbildern, auch große Gemälde von John Hermann, Emma und Walter E. T. Benecke. Ihnen dürften die jetzigen Generationen gefallen.