Freiherr Enno v. Ruffin

Herr Baron hat gut zu tun

Gut Basthorst ist nicht nur ein großer landwirtschaftlicher Betrieb, sondern eine über die Grenzen Schleswig­Holsteins hinaus bekannte und beliebte Eventlocation. Enno Freiherr v. Ruffin hat aus seinem Erbe in 37 Jahren ein diversifiziertes Unternehmen geformt und für die Zukunft bestens vorgesorgt.

Von Tatjana Gräfin v. Dönhoff

Das Telefon klingelt ununterbrochen: Irgendwas stimmt mit der Elektrik in der Trocknung nicht, im Hotel hat ein Gasthund den Teppich verschmutzt, der Tischler meldet, die zu reparierenden Fenster beim Antiquitätenladen sind doch verrotteter als gedacht … Und so geht es im Minutentakt: der Kühlraum, die Getränkespedition, die Gäste aus Schweden, die Anti-Matsch-Platten für die 6000 Parkplätze, die Hackschnitzel für die Heizungsanlage sind feucht …

Bei Enno Freiherrn v. Ruffin, 63, auf dem idyllischen Gutshof von Basthorst, 35 Kilometer östlich von Hamburg zwischen dem Flüsschen Bille und dem Sachsenwald gelegen, kommt keine Langeweile auf. „Hier ist immer und rund um die Uhr was los“, sagt der Gutsbesitzer. Jetzt besonders, denn demnächst starten die wichtigsten Events des Jahres: der vorweihnachtliche Bazar am 24. November und die Weihnachtsmärkte an den vier Adventswochenenden. Sie gelten als mit die schönsten in Norddeutschland und sind seit 25 Jahren weit über die Grenzen des kleinen 400-Seelen-Dorfs bekannt. Zehntausende Menschen, von so weit entfernt wie Augsburg und Kopenha gen, kom men dann nach Basthorst. Drei Ministerpräsidenten/in haben es sich über die Jahre nicht nehmen lassen, die Eröffnungsansprache zu halten.

Kilometerlange Lichterketten und bunte Lampions verwandeln die historische Gutsanlage in ein Winterwunderland. In jeder Scheune findet sich Amüsement, Hunderte Stände bieten von Baumschmuck bis Hirschbratwurst alles, was die weihnachtlich gestimmten Seelen erfreut, sogar Geschenke von luxuriös bis skurril kann der Gast erwerben. Dazu gibt es Attraktionen wie einen eigenen Zirkus mit Kamelreiten, die Heiligen Drei Könige samt Theateraufführung sowie Hexenland mit Hexenhütte für die Kleinen oder Chillen in der original Tiroler Hütte für die Großen – inklusive wärmender Brände aus Basthorster Schlehen. „Eine Reminiszenz an meine Vorfahren, die ja aus Meran und Tirol stammen. Ich hab die Berghütte gekauft und hier wieder aufbauen lassen.“ So viel Romantik hätte man dem eher praktisch-bodenständig veranlagten Gutsherren gar nicht zugetraut. „Na ja“, grinst er, „mit dem Alter wird man eben emotionaler.“

1980 übernahm Enno von seinem Vater Franz Freiherr v. Ruffin den Betrieb. Da war er 27 Jahre alt. „Dass ich das Erbe antrete, war klar, was anderes stand nie zur Debatte“, sagt er. „Ich liebe dieses Stück Erde. Ich bin Landwirt mit vollem Herzen.“ Aber er ist längst noch viel mehr: Eventmanager, Hotelier, Gaststättenbetreiber, Immobilienverwalter und Bauherr im Denkmalschutz, Vermieter, Problemlöser, Jagdorganisator, Bierbrauer und Inhaber einer Gärtnerei und Landschaftsbaufirma. „Diversifizierung war das Gebot für eine erfolgreiche Zukunft von Basthorst“, erklärt Freiherr v. Ruffin. „Landwirtschaft allein konnte die nicht sichern.“

Märchen­hafte Markt­kulisse

Als sein „ziemlich strenger, aber immer gerechter“ Vater hier noch wirtschaftete, gab es Kühe, Pferde, Schafe und Schweine. Klein Enno trieb sich in Wald und Flur und auf den Heuböden herum, kannte jeden Strauch und jedes Versteck. Im Winter wurde Eishockey auf dem zugefrorenen Teich gespielt. Schule allerdings war „eher eine Qual“. Mit zehn Jahren kommt er ins Internat.

„Das harsche Reglement war nichts für mich.“ Es folgten regelmäßige Institutswechsel. Eines davon war Luisenlund an der Schlei. „Ich bin wohl mit verantwortlich für die Aufnahme von Mädchen nach monatelangen Diskussionen mit dem Direktor, unterstützt von Flugblättern“, erinnert er sich lachend. „Flog aber leider raus, bevor die ersten auftauchten.“ Es folgte eine landwirtschaftliche Lehre und dann Bundeswehr: Gebirgsjäger in Mittenwald. „Das machte mir Spaß. Skifahren und Waffenkunde, das konnte ich.“ Er geht als Oberleutnant. Es folgt ein Jahr in den USA, dort soll er sich in Arizona amerikanische Landwirtschaftspraxis ansehen. „Das war schrecklich, riesige Flächen, aber keine familiäre Einbindung oder Tradition.“ Er lässt es und reist durchs Land. In Dallas arbeitet er bei einer Ölfirma, zunächst als Packer dann im Messebauteam. „Ich verdiente gutes Geld.“ Doch das Studium in Landsberg dräut. Er kehrt zurück. Nach dem Abschluss geht’s nach Hause, nach Basthorst. Der Vater gibt ohne Probleme die Verantwortung für den Betrieb ab und zieht sich aus den Geschäften zurück. „Er sah seinen Erbauftrag erfüllt.“

Nun hatte Enno die Verantwortung für den Betrieb, der wie ein Hufeisen arrondiert um das Gutshaus gelegen ist. (Mit Zukäufen hat der Besitz heute rund 600 Hektar landwirtschaftliche Betriebsfläche plus 150 Hektar Forst.) „Modernisierung und Innovation war der Plan“, sagt er. Zunächst nimmt er sich die Landwirtschaft und den Maschinenpark vor, tauscht aus, kauft neu und reduziert die Angestellten, bis ein nach modernen Standards wirtschaftendes Unternehmen entstanden ist. Heute hat er einen effizienten Maschinenpark, aber nur noch einen festen Angestellten und Saisonkräfte wenn nötig. Raps, Roggen, Gerste und Weizen und Kartoffeln werden kontrolliert traditionell und umweltgerecht angebaut. Mit 45 anderen „großen“ Landwirten hat Enno Ruffin vor rund 20 Jahren „Cerealis“ gegründet, eine Firma, die Getreide für Großbäcker, etwa Allwörden, und große Norddeutsche Mühlen und Mischfutterhersteller anbaut und vermarktet.

Sein erstes Engagement in einem anderen Gewerk ist der kleine Gärtnereibetrieb mit eigenem Gewächshaus, das der Vater jahrelang betrieb. „Zwei Mann banden und verkauften Kränze für die traditionellen Dorffestivitäten und Beerdigungen. Das war nicht profitabel“, stellte der junge Enno sofort fest. Er investiert und konvertiert das Ganze zunächst in eine Servicefirma für Hydropflanzen für große Hamburger Unternehmen wie BP und die Dresdner Bank. Als Hydropflanzen nicht mehr in waren, verwandelte er den Service zu einem Garten- und Landschaftsbaubetrieb, mit heute rund 100 Auftraggebern im norddeutschen Raum. Spezialität der acht festen Mitarbeiter: Pflege und Anlegen von Gärten und der Winterdienst. „Zwischendurch pflegen die Männer auch hier den Park und die Reitplätze, aber wenn viel los ist, muss ich mich hinten anstellen, das ist gut fürs Geschäft, aber schlecht für meinen Rasen.“

Schleppjagd

Sein Hauptaugenmerk legt Enno Ruffin damals schnell auf die Immobilien. „Ich hatte allein 40 mehr oder weniger leer stehende Gebäude, die nach einer sinnvollen Nutzung schrien.“ Er geht es langsam an und renoviert nach und nach die Leutehäuser und alten Stallgebäude, die Schmiede, die Meierei und die Remisen, legt Elektrifizierung und Wasserversorgung. „Ich war noch nie ein Fan davon, etwas verfallen zu lassen“, sagt er. Bald kommen die ersten Mieter: erholungsreife Hamburger und eine Werkstatt suchende Handwerker. Heute findet der interessierte Besucher u. a. eine Restauratorin und Vergolderin, eine PR-Firma, einen feinen Landbekleidungsausstatter, einen edlen Büchsenmacher, einen Antiquitäten- und Silberhändler, eine Brennerei für feine Schnäpse und die Deutschlandvertretung eines exklusiven schwedischen Whiskyherstellers.

Nächstes Projekt: Aus dem alten Pferdestall am Eingang zum Gutsensemble wird ein Landgasthof mit regionaler Küche und Gartenkaffee am See. In den Veranstaltungsräumen im Dachgeschoss buchen Firmen aus Hamburg Tagungen oder auch private Feiern. Inzwischen ist die Küche das Zentrum des Basthorster Caterings für eigene und fremde Veranstaltungen. Aber auch Restaurant für die Hotel- und Feriengäste – und den Hausherrn, der hier fast jeden Abend essen geht.

Die vierte Geschäftsidee: ein Hotelbetrieb, klein, aber fein. Nach dem Tod der Mutter verwandelt Enno die Wohnung der Eltern im rechten Flügel des hübschen Herrenhaus mit seinen holländischen Gauben in ein intimes Landhotel mit Sauna und sechs Doppelzimmern. „Einige waren mal die Kinderzimmer von mir und meinen Schwestern“, erzählt er. In der Eingangshalle hängen seine Trophäen aus heimischem Wald, und das Esszimmer der Familie ist zum gemütlichen Frühstücksraum mit Blick in den Garten umgenutzt.

Das „Hotel im Herrenhaus“ ist fast das ganze Jahr ausgebucht, auch im Winter. So hat der Hausherr inzwischen noch 80 Betten in verschiedenen anderen Gebäuden des Hofs ins Angebot aufgenommen. „Und auch die werden gut gebucht“, freut sich Enno der Hotelier. Das gemütliche englischschicke Ambiente ist beliebt, vor allem bei Hochzeitsgästen. Von denen buchen von Mai bis Oktober bis zu 60 Paare mit Familienanhang im Jahr ihren besonderen Tag in Basthorst. Oft nicht nur die Übernachtung, sondern auch das ganze romantische Drumherum inklusive Catering und Partylocation. Im Kaminzimmer des Herrenhauses können sie sich standesamtlich trauen lassen. Oder/Und sie buchen die kleine neo gotische Basthorster Feldsteinkirche St. Marien (1858) mit 200 Plätzen. Sie ist – direkt am Eingang zum Gutsgelände gelegen – über den alten Kopfsteinpflasterweg vorbei am Teich mit heimischen Kormoranen und dem Familienfriedhof zu Fuß zu erreichen. Und hier existiert ein Kuriosum, das es im protestantischen Schleswig-Holstein wahrscheinlich nur einmal gibt: Die katholischen Ruffins, also auch Enno, dürfen dennoch Patronatsherren sein „mit Sondererlaubnis vom Bischof“. Dafür muss der jeweilige Gutsbesitzer aber auch mit für die Erhaltung des Gotteshauses sorgen.

Patronatskirche

Das Eventbusiness fing vor 25 Jahren klein an, Weihnachtsmarkt und mal ein Sommerkonzert des Schleswig-Holstein Musik Festivals im Park oder in der großen Scheune. Doch es lief von Jahr zu Jahr besser. „Dann kam die Autobahn nach Berlin und reduzierte die Anfahrt aus Hamburg auf ein Drittel der Fahrzeit.“ Und Vicky Leandros, die berühmte Sängerin, wurde 1986 Hausfrau, gab ab und an ein Konzert. Enno erfand die Versteigerung von Weihnachtsbäumen, geschmückt von seinen prominenten Freunden aus dem Showbiz. „Ja, das half, Basthorst-Events bekannt zu machen“, gibt Enno Ruffin unumwunden zu. „Wenn das Fernsehen berichtete, ging manchmal der Rückstau der Fahrzeuge bis zur Autobahnabfahrt.“ Heute ist das Event- und Hotelbusiness zu einem festen zweiten Standbein neben der Landwirtschaft geworden. 30 Mitarbeiter, fünf Lehrlinge in verschiedenen Berufen – vom Koch bis zum Eventmanager – und bis zu 50 Aushilfen sind bei Organisation und Umsetzung involviert. Viele davon kommen aus der Umgebung und fühlen sich dem Hausherrn seit Jahren verbunden, nennen ihn respektvoll Herr Baron. „Das ist okay“, findet Enno Ruffin. „Herr Freiherr klingt ja auch ziemlich komisch.“

Das Gesamtkunstwerk Basthorst ist langsam aber stetig gewachsen. „Zu Beginn war es mehr ‚learning by doing‘ als eine professionelle Herangehensweise“, sagt der Multitasker. „Aber das meiste, was ich angegangen bin, hat am Ende geklappt.“ Sein Erfolgsrezept, da ist er ganz sicher: „Wir wählen die Aussteller und Anbieter sehr genau aus. Die Qualität muss stimmen und natürlich die Breite des Angebots, man will ja nicht fünf Käsehändler. Aber man muss aufpassen, dass der eigene Geschmack nicht die Entscheidung prägt. Nicht Luxusartikel und Champagner, sondern hochwertige Dinge und gutes Catering für normale Leute. Es muss für jeden etwas dabei sein.“ Und was ist mit Ausspannen, Hobbys? „Urlaub“, sagt Enno Ruffin, „kann ich mir nicht leisten.

Höchstens mal ein paar Tage Skilaufen im Januar. Rund 250 Tage im Jahr ist irgendeine Veranstaltung, manchmal drei am Tag. Circa 200 000 Gäste im Jahr wollen perfekt unterhalten werden. Da komm ich kaum vom Hof.“ Ein Werbeleporello mit acht Seiten und die Internetsite beweisen das. In diesem Jahr ging es im März los mit einer Hochzeitsmesse, gefolgt vom traditionellen Jägersilvester am 1. April mit 2500 Waidmännern, Windhundeschau und Musikkapellenwochen ende. Im Juni Mittelalterspektakel. Danach galoppierten internationale Poloplayer beim BMW Polo Cup und tanzten auf der berühmten „Players Night Party“. Im Juli stand Musik (Oper „Nabucco“, ein Beatles-Liederabend und das Schleswig-Holstein Musik Festival) auf dem Programm, Ende Juli und August dann Spring- und Dressurturnier sowie die Schleppjagden. Den schlammigen November nutzt eine 4x4-Geländewagen- und Survivalmesse mit 100 Ausstellern. Dazu Frühling- und Herbstmarkt mit rund je 300 Ausstellern aus den Bereichen Haus, Garten, Kunst und Antiquitäten. Und demnächst eben die Weihnachtsmärkte inklusive des Benefizkonzerts mit Exfrau Vicky Leandros („Wir sind bestens befreundet“) und der Versteigerung der berühmten Weihnachtsbäume.

Aber was tut er nun, wenn er mal nichts tut? Er fährt mit seinem Geländewagen über sein Land, allein nur mit den Hunden Lion und Trooper „das liebe ich. Oder auf Jagd gehen, das entspannt, auch, ohne dass ich was schieße.“ Reiten war mal seine besondere Passion. „Darf ich nicht mehr“, erzählt er traurig. Vor einiger Zeit ist er vom Pferd gestürzt und hat sich einen Lungenriss zugezogen. „Nun bleiben mir nur die Pferdeveran-staltungen und die Pferde von meiner Freundin Estelle Rytterborg.“ Die internationale Springreiterin hat einige ihrer Pferde in Basthorst stehen.

Enno Ruffin ist ein erklärtes Familientier. Wenn seine Kinder da sind, ist er glücklich. Und die kommen regelmäßig. Leo, 37, Sohn von Vicky aus erster Ehe, ist Schiffsmakler in Hamburg. Sandra, 31, steht als Schauspielerin vor der Kamera und lebt in Berlin. Und Pauline, 11, die Tochter von Estelle, die im nahen Trittau das Gymnasium besucht. Die älteste, Milana, 33, verheiratet seit 2012 mit Dr. Léon v. Brasch, wohnt mit Ehemann und drei kleinen Söhnen auf dem Gut. Sie hat Politik und Landwirtschaft studiert und ist in Hamburg bei einer internationalen Unternehmens- und Strategieberatungsfirma angestellt. Sie will „unbedingt!“ Basthorst übernehmen. „Die Gesamtorganisation eines solch diversifizierten Unternehmens, das gleichzeitig ein Family Business ist, würde mir Spaß machen“, sagt sie. Wenn Vater Enno dann „irgendwann … demnächst“ sein Erbe höchst emanzipiert an die nächste (weibliche) Generation weitergibt, „werde ich das wie mein Vater machen, abgeben und raushalten“, sagt er. „Dann hoffe ich aber doch, dass Milana vielleicht noch einen Kneipenjob für mich hat. Hinterm Tresen wollte ich nämlich immer schon mal stehen.“