Weitenburg

Rokoko am Rhein - Schloss Augustusburg in Brühl

Der Erzbischof und Kölner Kurfürst Clemens August von Bayern beauftragte die prominentesten Baumeister, Stuckateure und Gartenarchitekten seiner Zeit mit dem Bau von Schloss Augustusburg. 1984 wurde das Meisterwerk des Rokoko von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt.

Von Dorothee Gräfin v. Walderdorff

Die Auszeichnung zum Welterbe der Menschheit hätte ihn gefreut. Der Kölner Kurfürst und Erzbischof Clemens August von Bayern (1700–1761) liebte Ruhm und Pracht. Schloss Augustusburg war seine Lieblingsresidenz. Hier konnte der Wittelsbacher der Falkenjagd frönen, das strenge kurfürstliche Hofzeremoniell lockern und Feste feiern, wie sie ihm gefielen.

Das gute Leben eines barocken Kurfürsten war Clemens August als viertem Sohn des bayerischen Kurfürsten Maximilian II. Emanuel und der polnischen Königstochter Therese Kunigunde Sobieska nicht unbedingt in die Wiege gelegt. Ohne Rücksicht auf den Willen oder die Talente seiner Söhne bestimmte Maximilian II. über ihren Werdegang, nutzte sie zur Stärkung der Hausmacht der Wittelsbacher. Die beiden Ältesten, Kurprinz Karl Albrecht und Ferdinand Maria sollten für den Fortbestand der Familie sorgen, während Philipp Moritz, Clemens August und der nachgeborene Johann Theodor in kirchliche Ämter „gepresst“ wurden. Gerade erst 15-jährig wurde Clemens August zum Probst von Altötting, zum Koadjutor des Hochstifts Regensburg und der Fürstprobstei Berchtesgaden „gemacht“. Im März 1716 übernahm „der Teenager“ den Bischofsstuhl von Regensburg, erhielt dann jedoch eine altersgemäße Auszeit. Unter Oberaufsicht des Papstes studierten er und sein älterer Bruder Philipp Moritz zwei Jahre lang Theologie, Logik, Physik und Philosophie in Rom. Währenddessen wurde Philipp Moritz zum Bischof von Münster gewählt. Kurz vor seiner Abreise aber erkrankte er an Blattern und starb. Maximilian II. sorgte dafür, dass die bestürzende Nachricht nicht bis Münster vordrang, schickte seinen jüngeren Sohn Clemens August, der das Amt nun besetzte, bevor die Münsteraner über Alternativen nachdenken konnten. Im August 1722 wurde Clemens August noch zum Bischof von Hildesheim gewählt. Die Ämter häuften sich auf seinen jungen Schultern. Nichtsdestotrotz trat der mittlerweile 23-Jährige im darauff olgenden Jahr die Nachfolge seines Onkels Joseph Clemens als Kölner Erzbischof und Kurfürst an. Zu verdanken hatte er diese und die darauff olgenden Wahlen zum Fürstbischof von Hildesheim und Osnabrück dem diplomatischen Geschick des bayerischen Unterhändlers Ferdinand Graf v. Plettenberg. Auch bei der Bewerbung um das Amt des Hochmeisters des Deutschen Ordens stellte Plettenberg, mittlerweile Premierminister und engster Ratgeber des Kur-fürsten, die Weichen. Ab 1732 konnte Clemens August auch noch diesen mit viel Prestige verbundenen Titel führen und die stattlichen Einkünfte des Ordens neben den hohen ausländischen Subsidien für seine Bauunternehmungen nutzen.

Audienzsaal

Perle des Rokoko

Schon sein Onkel, Kurfürst Joseph Clemens, spielte mit dem Gedanken, die 1689 zerstörte Brühler Landesburg als einfaches Landschlösschen wieder aufzubauen. Sein Neff e Clemens August dagegen dachte in anderen Kategorien, plante eine feudale Sommerresidenz. Dafür beauftragte er den westfälischen Architekten Johann Conrad Schlaun. Kaum war der Rohbau fertig, wurde Schlaun durch den wesentlich prominenteren bayerischen Architekten François de Cuvilliés d. Ä., eine Empfehlung seines Bruders Karl Albrecht, abgelöst. Dieser ließ die Hauptappartements nach Süden in Richtung Garten verlegen. Daraufhin wurde der ebenfalls in bayerischen Diensten stehende Gartenarchitekt Dominique Girard beauftragt, eine die Innenräume quasi fortsetzende Gartenanlage im französischen Stil zu konzipieren. Die Bauausführung lag in den Händen des örtlichen Bauleiters Michael Leveilly, der auch den Bau der prachtvollen Haupttreppe nach Plänen des berühmten Balthasar Neumann leitete. Balthasar Neumann war der Stararchitekt seiner Zeit, entwarf die Treppenhäuser großer Residenzen von Bayern bis ins Rheinland und verstand es, viele Bauprojekte mit nur wenigen Stippvisiten voranzutreiben.

So auch das Treppenhaus in Schloss Augustusburg, das heute zu den „triumphalsten Raumkunstwerken des 18. Jahrhunderts“ zählt. Viergeschossig ragt es bis in den Dachraum hinauf, Stuck und Marmor sind farblich aufeinander abgestimmt, ein monumentales Deckenfresko von Carlo Carlone lässt die eigentlich flache Decke wie eine gewaltige Kuppel erscheinen. Im Zentrum einer überwältigenden Opulenz an Figuren, Ornamenten, Säulen und Kapitellen leuchtet die vergoldete Büste des Kurfürsten Clemens August.

Maskenball

Der Kurfürst hält Hof

Clemens August ließ sich gern feiern. An kirchlichen Festtagen lud er zum „öffentlichen Speisen“ ein. Die Hofkapelle spielte auf, der Kurfürst und erlesene Gäste tafelten im großen Speisesaal, während geladene Zuschauer von der Balustrade aus das Zeremoniell beobachten durften. „Sein oder Nichtsein“ kirchlicher und klerikaler Würdenträger entschied sich in den Prunksälen von Schloss Augustusburg. Adlige aus ganz Europa reisten zur Audienz beim Kurfürsten, trafen sich zu Maskenbällen, Theatervorführungen, Opern, Konzerten und Soireen. Trotz tiefer Frömmigkeit und hoher kirchlicher Ämter liebte Clemens August ausgelassene Feste, hatte einige Affären und eine Tochter mit der Bonner Harfenistin Mechthild Brion, die später geadelt wurde und als Anna Maria zu Löwenfeld mit dem illegitimen Sohn seines Bruders Karl Albrecht, Kaiser Karl VII., verheiratet wurde.

Die größte Leidenschaft des Kurfürsten war jedoch die Jagd, insbesondere die Falkenjagd. Überall im Schloss findet man Gemälde von Falken, sogar das stille Örtchen ziert eine Galerie seiner Lieblingsfalken in Lebensgröße, auf ihren Hauben stets das Monogramm des Kurfürsten, die goldenen Initialen CA.

Die Politikgeschäfte überließ der Fürst den anderen

Das Jagen und Feiern liebte er, die Politik überließ der Kurfürst gern Premierminister Ferdinand Graf Plettenberg – bis zu jenem schicksalshaften Duell, bei dem Friedrich v. Beverfoerde, ein Verwandter Plettenbergs, einen der engsten Freunde des Kurfürsten, Johann Baptist von Roll, erschoss. Tieftraurig entließ der Kurfürst den seiner Meinung nach mitschuldigen Plettenberg. Der einst stabile politische Kurs wurde nun von wechselnden Ratgebern bestimmt, der Kurfürst verlor an Macht, Schloss Augustusburg an Glanz. Am 6. Februar 1761 starb Clemens August von Bayern. Er hinterließ mehrere Schlösser, darunter die schönsten Bauwerke seiner Zeit, aber auch einen Berg von Schulden.

Sein Nachfolger Max-Friedrich von Königsegg-Rothenfels vollendete die Baumaßnahmen an Schloss Augustusburg nach den Plänen von Clemens August, große Teile des Mobiliars, der Kunst- und Gemäldesammlungen aber wurden bei Auktionen verkauft.

Die Residenz wird Museum

Im 19. Jahrhundert diente Schloss Augustusburg den Mitgliedern des preußischen Königshauses noch sporadisch als „herrschaftliches Hotel“. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde aus der kurfürstlichen Residenz ein Museum. Am 10. Oktober 1944 landete eine von den Amerikanern abgeworfene Sprengbombe knapp neben dem Treppenhaus. Ein paar Meter weiter und die ganze Pracht des Rokoko hätte in Schutt und Asche gelegen. Der Schaden wurde später vom neuen Besitzer, dem Bundesland Nordrhein-Westfalen repariert.

Elizabeth II

Roter Teppich für die Republik

Als Bonn in der jungen Bundesrepublik zur provisorischen Hauptstadt aufstieg, erlebte auch Schloss Augustusburg eine zweite Blüte. Den Auftakt bildete die Amtseinführung von Theodor Heuss nach seiner Wahl zum Bundespräsidenten 1949. Von da an war Schloss Augustusburg repräsentativer Schauplatz vieler Staatsempfänge und Bankette. König Bhumibol und Charles de Gaulle, der Schah von Persien, das Königspaar der Niederlande, Jimmy Carter, Ronald Reagan, Gorbatschow, Mitterand, Nelson Mandela … Eminenzen und Exzellenzen aus der ganzen Welt kamen nach Brühl.

Die Queen und Prinz Philipp wurden gar mehrmals von wechselnden Bundespräsidenten unter der goldenen Büste von Clemens August begrüßt, speisten an festlichen gedeckten Tafeln, nahmen ihren Mokka auf der Terrasse mit Blick auf die penibel gepflegte barocke Gartenanlage.

Waren die Staatsgäste abgereist, wurden die Teppiche eingerollt, das Porzellan verstaut und Schloss Augustusburg wieder in ein für Touristen aus aller Welt zugängliches Museum verwandelt. Mit dem Hauptstadtumzug nach Berlin blieben die Staatsgäste aus, und das Museumsprogramm wurde erweitert. Rund 110 000 Besucher bewundern jährlich „Rokoko am Rhein“, nehmen an Führungen und Veranstaltungen teil.