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Sandizell: gemeinsam für das geteilte Schloss

Um das Dach reparieren zu lassen, verkaufte Paula Gräfin v. u. zu Sandizell 1970 den Ostflügel des imposanten Wasserschlosses an Familie Jaeck. Jetzt sorgen die Erben beider Parteien – Nikolaus und Tassilo Grafen v. u. zu Sandizell und Dr. Horst-Florian Jaeck – gemeinsam für den Erhalt des um 1750 erbauten Stammsitzes der Grafen Sandizell in Oberbayern.

Von Dorothee Gräfin v. Walderdorff

Sandizell! „Es ist wunderschön, aber auch eine große Aufgabe!“, erklärt Nikolaus Graf v. u. zu Sandizell gleich am Anfang unseres Telefoninterviews. Nach 40 Jahren im Ausland zog er mit seiner Familie Anfang des Jahres nach Sandizell, um beim Erhalt des Barockbaus mitzuwirken. Eine Heimkehr allerdings ist es nicht.

Nach der Scheidung ihrer Eltern – Carl Hochbrand Graf v. u. zu Sandizell und Irene geb. Rohrer – wuchsen Nikolaus (*1959) und sein jüngerer Bruder Tassilo (*1963) bei ihrer Mutter und ihrem Stiefvater in New York, München und Düsseldorf auf. Später wurden sie in ein Schweizer Internat geschickt, selten besuchten sie ihre Großmutter in Sandizell, verbrachten die Ferien häufig bei ihrem Vater in Amerika.

„Er ist“, so beschreibt Nikolaus Graf Sandizell seinen Vater „ein wunderbarer Lebenskünstler, der die Freiheit braucht.“ Einer, dem nach Kriegs- und Nachkriegszeiten Deutschland zu eng, die Konventionen zu streng waren. Gemeinsam mit seiner zweiten Frau Angelica geb. Urban zog er nach New York und arbeitete als Verlagsrepräsentant von „Time and Life“. Sie bekamen eine Tochter, Katharina, führten ein weltoffenes, interessantes Leben – weit entfernt von der bayerischen Provinz.

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Dort machte sein Vater Carl Max Graf Sandizell (1895–1962) das Wasserschloss zum glanzvollen Treffpunkt der Automobilszene. Der Grandseigneur war ein begeisterter Rennfahrer, der sich mit großem Erfolg für den Motorsport engagierte (siehe auch Seite 22). Der Besitz wurde dabei allerdings vernachlässigt. Als Carl Max Graf Sandizell 1962 starb, war von dem einst 1000 Hektar großen forst- und landwirtschaftlichen Betrieb schon viel verkauft. Seine Witwe, Paula Gräfi n Sandizell, kämpfte gegen den bröckelnden Verfall des um 1750 erbauten Wasserschlosses. Als das Dach neu gedeckt werden musste, entschloss sich die Schlossherrin zu einer höchst ungewöhnlichen Maßnahme: Sie verkaufte den Ostfl ügel samt dazugehörendem Parkanteil an das Ehepaar Jaeck.

 

Ein Tabubruch, um die Tradition zu erhalten! Was für eine Entscheidung. Aber so schwer der Schritt auch gewesen sein mag, so kritisch das Urteil der benachbarten Standesgenossen (davon kann man ausgehen!) – das Schloss konnte zumindest zur Hälfte im Besitz der Familie bleiben. Vom Erlös des Verkaufs konnte das Dach gedeckt werden. Der symmetrische Bau ließ sich gut aufteilen, bietet mit zwei Eingängen, separaten Treppenhäusern und vielen Salons mehr als genug Platz für zwei Parteien. Die neuen Mitbewohner und Eigentümer erwiesen sich als „nette Nachbarn von nebenan“ und investierten viel Geld in die Restaurierung des nach dem Zweiten Weltkrieg von amerikanischen Soldaten und Flüchtlingen lädierten Osttrakts. Bald schon verband sie das gemeinsame Bestreben, Schloss Sandizell für die nächste Generation zu erhalten.

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Feiern in eleganten Salons

Während Nikolaus Graf Sandizell von einer aufregenden Expedition zur nächsten navigierte, machte sich sein Bruder Tassilo 2005 auf den Weg nach Sandizell.

1990 war Paula Gräfi n Sandizell im Alter von 87 Jahren gestorben. 2002 auch Prof. Dr. Horst-Joachim Jaeck. Die nächste Generation musste die Verantwortung übernehmen, für die Unterhaltskosten des auf 6000 Eichenbalken erbauten Wasserschlosses sorgen – oder verkaufen. Auch Letzteres wurde erwogen, aber wieder verworfen. „Das Schloss liegt uns sehr am Herzen“, betont Nikolaus Graf Sandizell bei unserem Telefonat und verweist auf die sehr professionell gemachte Website. Dort wird Sandizell als feudale Event-Location präsentiert.

Über Jahre hinweg haben die Partner – Tassilo Graf Sandizell und Dr. Horst-Florian Jaeck – mit großer Unterstützung ihrer Frauen, Faika Gräfin Sandizell und Dr. Rebekka Jaeck, alle Einnahmen aus Veranstaltungen und Vermietungen in Renovierungsarbeiten gesteckt.

Heute können sich Brautpaare im großen Salon auf eleganten Louis-XVI.-Sesseln standesamtlich trauen lassen und anschließend im gelben oder grünen Salon zum Sektempfang einladen. Im rosa, roten oder blauen Salon fi nden festliche Empfänge, Familienfeiern und Konzerte statt. Bei sternenklaren Sommernächten wird im Innenhof serviert. Wer’s rustikal mag, feiert im Rittersaal oder im Kreuzgewölbe bei Kaminfeuer. Das Angebot ist groß, das Tandem Sandizell/Jaeck sehr kreativ: Ausstellungen, Empfänge, Familienfeste, Lesungen, Konzerte, Open-Air-Veranstaltungen, Märkte und rauschende Hochzeitsfeiern mit kirchlicher Trauung in der spätbarocken Dorfkirche St. Peter, oder klein und fein am Rokokoaltar der Hauskapelle. Sandizell leuchtet – von Mai bis September reiht sich eine Veranstaltung an die nächste.

Vorausgesetzt, es herrscht keine Pandemie. Der Frühlingsmarkt und das Mittelalterspektakel mussten abgesagt werden. Nun wurde auch der Schlossmarkt Mediterrano mit venezianischen Gondelfahrten und Maskenzauber auf 2021 verschoben. „Veranstaltungen allein genügen nicht“, warnte Nikolaus Sandizell schon vor der Covid-19-Pandemie – und jetzt erst recht.

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Der Tiefseetaucher geht an Land

Nach 40 Jahren im Ausland, die letzten 25 in Cascais an der Küste Portugals, änderte Graf Sandizell sein Leben und auch sein Ziel. Der Dauerreisende wird sesshaft und widmet sich jetzt dem Erhalt seines Erbes.

Im Januar dieses Jahres zog Nikolaus Graf Sandizell mit seiner zweiten Frau Filipa Gräfi n Sandizell und ihren drei Töchtern – Alice (15), Maria-Carlota (13) und der elfjährigen Johanna – nach Sandizell. Seine beiden Söhne aus erster Ehe, Tassilo und Maximilian (35 und 33 Jahre alt) leben, ganz der Vater, an unterschiedlichen Enden der Welt. Max betreibt ein Surf-Hotel auf der Insel Pulau Rote in Indonesien, Tassilo arbeitet in Lissabon am Aufbau seiner ersten Restaurantkette. Das sind gute Voraussetzungen, um später weiterzuführen, was ihr Vater gerade aufbaut: ein kleines Hotel, Town Houses (kleinere Einfamilienhäuser) und Wohnungen als zusätzliche Einnahmequelle. „Wenn wir den Besitz für die nächste Generation erhalten wollen, brauchen wir eine nachhaltige, eine große Lösung“, betont Graf Sandizell. Er kaufte Land, das sein Großvater in den 1960er-Jahren verkauft hat, und steckt gerade mitten in den Planungen für das Bauvorhaben. Dafür werden alte Stallungen zu Sevice-Apartments (möblierte Apartments mit Service wie im Hotel) umgebaut, die von Mitarbeitern der umliegenden Industrie genutzt werden können. Als einer der Ersten orientiert sich Graf Sandizell beim Aubau an den Herausforderungen eines Lebens mit dem Virus. Der ehemalige Pferdestall wird in Wohnraum mit geradezu klinischen Bedingungen umgewandelt.

Ohne mit einem anderen Gast in Kontakt zu kommen, kann der Neuankömmling eingecheckt werden, sein Gepäck wird in einem separaten Raum desinfiziert, er selbst getestet. Sollte die gefürchtete „zweite Welle“ uns tatsächlich überrollen, kann sogar ein separater Quarantä-nebereich geschaffen werden.

Das Modell für die Zukunft erweist sich schon jetzt als Glückstreff er für seine Familie, die das Leben im ländlichen Idyll genießt. Auch der mittlerweile 96-jährige Carl Hochbrand Graf Sandizell ist nach vielen Jahren im Ausland quasi heimgekehrt und lebt jetzt mit seiner Frau im nicht weit entfernten Salzburg.

Für Alice, Maria-Carlota und das Nesthäkchen Johanna ist das Schloss jetzt Heimat – und bleibt ganz gewiss ein Sehnsuchtsort.

Infos unter: www.schloss-sandizell.com