
Das Familien-Projekt
Schloss Hauptwil verfiel – bis Markus Graf v. Matuschka, Freiherr v. Greiffenclau und seine Frau Eva das Barockschloss im Schweizer Thurgau zum Zentrum für die Familie machten und es so ausstatteten, dass sich das Haus bald selber tragen kann.
Von Dorothee Gräfin v. Walderdorff
Dies ist eine andere Geschichte. Hier geht es nicht darum, wie es gelingt, ein Schloss zu erhalten und die Generationenfolge fort zuführen oder ein im Krieg verlorenes Gut wieder zu beleben. Markus und Eva-Maria Matuschka v. Greiffenclau haben Neues geschaffen – ohne Erbe, weit entfernt von ihren Wurzeln. Im März 2020 unterschrieben beide den Kaufvertrag für Schloss Hauptwil. Sechs Jahre hatte das Barockschloss im Zentrum der etwas über 1000 Seelen zählenden Gemeinde Hauptwil im schweizerischen Thurgau leer gestanden. Davor war es als Altersheim genutzt worden, die Salons, unterteilt in kleine Stuben mit prachtvollem Stuck an der Decke. Vergeblich suchte die Gemeinde nach Käufern. Auch eine Gruppe enthusiastischer Bürger, die das Gebäude der Öffentlichkeit zugänglich machen wollten, schreckte zurück, als die Zahlen auf dem Tisch lagen. Drei Millionen sollte das Anwesen kosten, die notwendigen Renovierungsarbeiten ungefähr fünfmal so viel.

Verlassenes Barockschloss
Die Brüder Hans Jakob (1611–1671) und Bartholome (1616–1693) von Gonzenbach, Kaufleute, die mit dem Handel von Leinen vermögend und einflussreich geworden waren, ließen 1664 im Ortskern von Hauptwil ein stattliches Barockschloss mit Parkanlage erbauen. Nach ihnen wechselte es mehrfach Besitzer und Bewohner, landete bei der Gemeinde Hauptwil, die es als Hauswirtschaftsschule, zuletzt als Seniorenheim nutzte und dann an einen Seniorenheimbetreiber verkaufte. Der lange Leerstand nagte am Gemäuer, Hauptwil verfiel. Da betrat Graf Matuschka die Szene. Er rechnete, kalkulierte, bekam die Zustimmung von beiden Kindern und unterschrieb. „Meine verehrte Frau und ich suchten nach einem Haus, in dem wir als Familie mit mehreren Generationen leben können“, erklärt er, und man spürt sogar am Telefon, wie ein zufriedenes Lächeln über sein Gesicht huscht. Schnell wird er wieder sachlich und sagt: „Am Anfang war es eigentlich nur Arbeit, ein neues Projekt, das wir rational wie jede Unternehmensgründung angegangen sind.“ Mit der Gründung von Unternehmen kennt sich der Investor aus, mit Schlössern ebenfalls. Die Familiengeschichte lässt sich rund 1000 Jahre zurückverfolgen, seine Vorfahren dienten schon Karl dem Großen. Markus Erwein Maria Richard Karl wuchs im Rheingau und im bergischen Overath auf. Der Sprössling einer Dynastie von Winzern besuchte brav die Weinbauschule in Geisenheim, studierte allerdings parallel dazu auch BWL. „Dann geh doch in die Bank“, riet sein Vater, Karl Graf Matuschka v. Greiffenclau, und sah die Zukunft seines Sohnes in einer feinen Kölner Privatbank. Der aber, ausgestattet mit starkem eigenen Willen, widersprach: „Bestimmt nicht! Ich will selber aufbauen.“ Die Eltern wurden nervös, der Junge fleißig. Schon während des Studiums gründet er seine erste Firma für Import von irischem Lachs. Den frischen Fisch holt er selbst im belgischen Nordseehafen Zeebrugge ab. Dann kam sie. Auf einem Ball der Saxoborussen in Schwetzingen spannt der junge Graf die schöne Eva-Maria Siemer einem Mitbewerber aus. Darüber freut er sich heute noch! Die schöne Blonde stammt aus dem hohen Norden, „der katholischen Diaspora“, betont der fromme Katholik, dessen liebenswürdige Mails oft mit „Gottes Segen“ enden. Ihr Wappen, das erzählt er gern, zieren sieben Keilerzähne für sieben erschlagene Feinde. Eva-Maria entstammt also einer mutigen Familie und war bereit für das Abenteuer eines Lebens an seiner Seite. Es beginnt in Köln. 1995 wird dort ihr Sohn Philipp-Otto geboren, seine kleine Schwester Florentina acht Jahre später. „Wir haben mit nichts angefangen“, erinnert sich Matuschka an die Anfangszeiten ihrer jungen Ehe in einem kleinen Apartment in der Agnesstraße. Aus nichts wurde dann aber schnell viel. Frustriert vom stockenden Mahlwerk deutscher Bürokratie zog das Paar vier Jahre später mit der Einführung des Euro ins englische Cheshire. Markus Matuschka mauserte sich zum erfolgreichen Unternehmer. Mittlerweile dirigiert Graf v. Matuschka-Greiffenclau ein kleines Imperium aus Biotech und alternativen Rohstofffirmen. Die größte ist die Lysando AG. Hier werden unter anderem vielversprechende Designerproteine entwickelt, die im Kampf gegen multiresistente Keime besser wirken als Antibiotika. Innovativ, fortschrittlich und global engagiert erstrecken sich die vielfältigen Aktivitäten des Unternehmers bis Japan, wo am Kiosk seine Tabletten zum schnelleren Alkoholabbau sowie Anti-Aging-Pillen verkauft werden. Nach ein paar Jahren in Cheshire siedelte die junge Familie, angezogen von den für Unternehmer idealen Bedingungen, in die Schweiz um, in den Thurgau nach Bischofszell, ganz in der Nähe von Hauptwil. Von da aus erweitert der emsige Unternehmer stetig sein Portefeuille. Vor einigen Jahren kam ein Wein- und Cognacgut in der französischen Charente dazu. Neben seinen Aktivitäten auf neuen Märkten kehrt Matuschka-Greiffenclau zurück zu seinen Wurzeln.

Der Park erblüht
Die Tinte auf dem Kaufvertrag war kaum trocken, da legten sie auch schon los. Als Erstes der Garten, entschied die neue Hausherrin und holte die englische Gartenarchitektin Katharina Labovitch nach Hauptwil. Sie hatte bei der Gestaltung der St. James Gardens in London mitgewirkt und zögerte nicht, die Herausforderung anzunehmen. Vom einst barocken Park war wenig übrig. Die dreiteilige Gartenanlage – Innenhof, Obstgarten und Parterre – war in den Jahren des Leerstands verwildert und davor in einen Nutzgarten umgewandelt worden. Im Ziergarten wuchsen Rüben und Kartoffeln, im Obstgarten weideten Schafe. Mit Sachkenntnis, Fantasie und historischen Gartenplänen begab sich Katharina Labovitch auf eine spannende Zeitreise zurück zu den Anfängen der Anlage. Das Ergebnis großer Umwälzungen ist ein barocker Park mit Boskett in verschlungenen Ornamenten und blühenden Rabatten. Darin eingebettet der Springbrunnen mit einem Wasser speienden Greif, ein Seerosenteich und das romantische Teehäuschen. Die bleiverglasten Fenster zieren die Wappen von Schweizer Familien, in die die Greiffenclau-Töchter einheirateten, wie den Grafen v. Salis und v. Reinach oder den Truchsess v. Rheinfelden. Daneben das Wappen der Grafen Stauffenberg in memoriam von Michael Graf v. Matuschka, der als Widerstandkämpfer und Mitglied des Kreisauer Kreises am 20. Juli 1944 in Berlin-Plötzensee erhängt wurde. Zum heraldischen Kreis von „Family & Friends“ gehört auch das Wappen der Familie Siemer mit seinen sieben eindrucksvollen Keilerzähnen. Mit vielen liebevollen Details wandelte sich das lange gesichts- und geschichtslose Anwesen zum Reich der Grafen Matuschka v. Greiffenclau. Für blühende Pracht sorgen im nächsten Frühjahr 80 000 Blumenzwiebeln, die der Hausherr gerade einbuddeln ließ. „Hab ich vom Großhandel in Holland, da sind sie preiswerter“, freut sich der Geschäftsmann.

Eleganz zieht ein
In der Kunst, das beste Angebot zu finden, sind Markus Matuschka und seine Frau Eva schwer zu toppen. Sie shoppen auf Auktionen und Versteigerungen, in der Schweiz, in Italien oder auch Japan. Ihr Haus hat viele Zimmer und brauchte viele Möbel. schiedlichsten Designs. Besonders gelungen sind das „Meereszimmer“ mit Blick auf die Schweizer Berge und die japanische Suite in Anlehnung an ihr geschäftliches Engagement in Asien.
Mietwohnungen, Büros und Feste
Das Haus muss sich selber tragen – das war von Anfang an die Prämisse für das „Projekt Hauptwil“. In den außen liegenden Wirtschaftsgebäuden der rechtwinkligen Schlossanlage wurden fünf Wohnungen und fünf Büros aufwendig saniert und mit eleganten Tafelparkettböden ausgestattet. Im „Kurfürst Georg Friedrich“ (340 m2 Wohnfl äche), im „Kurfürst Richard“ (240 m2) oder in der Drei-Zimmer-Wohnung „Hans Jacob von Gonzenbach“ kann man herrschaftlich zur Miete wohnen.
Die stilvollen Büros wurden mit modernster Technik ausgestattet
Draußen im Pavillon, im Gartensaal oder im Bildersaal zwischen goldgerahmten Ahnenbildern sind Hochzeiten, Taufen und Feste möglich. Eine Homepage gibt es bereits, und der Termin für ein großes Parkfest steht auch schon fest. Es ist der 25. Mai 2024, sofern das Wetter mitspielt. Die langfristige fi nanzielle Absicherung ist ihm wichtig – vor allem aber ist Hauptwil ein Familienprojekt, betont Markus Graf Matuschka v. Greiff enclau und ist stolz, dass ihm dies gelungen ist. Kaum waren die Handwerker aus dem Haus und die neuen Möbel platziert, überzeugte er auch seine über 80-jährigen Eltern, Karl-Philipp Graf Matuschka und seine Frau Christa, ihr Zuhause in Overath aufzugeben und ins Schloss in die Schweiz zu ziehen. Jetzt leben alle unter einem Dach, und es ist so schön, dass auch die Jungen gerne bleiben. Der 27-jährige Philipp-Otto arbeitet nach seinem BWL-Studium in München von zu Hause aus im Bereich Strategie und Geschäftsentwicklung, Florentina (20) studiert zwar in Hamburg Marken-Marketing und BWL, aber eigentlich ist auch sie am liebsten zu Hause. Nach drei turbulenten Jahren kehrt Ruhe ein in Hauptwil – und endlich auch die Muse zum Genießen. So wie neulich, an einem warmen Spätsommerabend, als Graf und Gräfi n Matuschka barfuß Hand in Hand durch ihr selbst geschaff enes Reich schlenderten.
Infos: www.schloss-hauptwil.ch