Schloss Arenenberg

Schöner wohnen im Exil

Vor 150 Jahren starb Napoléon III. – Schloss Arenenberg war einst sein elegantes Zuhause, eingerichtet von seiner Mutter Hortense de Beauharnais. Bis heute ist die Originalmöblierung erhalten, die Arenenberg einst den Ruf als schönstes Schloss vom Bodensee bescherte.

Von Henrike Frfr. v. Speßhardt

Dass dieses Stück Erde am Untersee auch in vergangenen Jahrhunderten schon Menschen begeisterte, lässt sich an einer simplen Scherbe ablesen. Als das Gelände von Schloss Arenenberg im Schweizer Kanton Thurgau zu Anfang des 21. Jahrhunderts wieder instandgesetzt wurde, entdeckte man nicht nur einen der schönsten Landschaftsparks am Bodensee wieder, sondern fand dazu auch viele Scherben römischen Ursprungs. Auch der ehemalige Name der Erhebung spricht Bände. Bis ins 18. Jahrhunderte hieß der Sporn über dem See „Narrenberg“, sprachhistorisch ein Ort mit närrischen Überbleibseln – und das waren in der Vorstellung mittelalterlicher Bewohner eben spätantike Ruinen. Was genau die Römer hier einst trieben, bleibt unklar. Möglich wären neben dem bis heute vorhandenen Weinanbau auch kultische Zwecke, kann man sich dem von hier aus geradezu magischen Blick über den glitzernden See sommers wie winters kaum entziehen.

Zeltsalon

Im 16. Jahrhundert ließ der letzte reformierte Konstanzer Bürgermeister Sebastian Geissberg auf dem Narrenberg ein Bauernhaus abreißen und dafür ein erstes herrschaftliches Gebäude bauen. Es folgten viele Besitzerwechsel, bei denen unter anderem die Familien v. Schwarach, v. Wittenwil und v. Streng hier ansässig waren. Auf einem Narrenberg wollten diese freilich alle nicht wohnen, weshalb man die Erhebung in Arenenberg umtaufte. 1817 verkaufte Johann Baptist v. Streng das Schloss an die damals im Konstanzer Exil lebende Hortense Eugénie Cécile de Beauharnais (1783–1837). Die Tochter von Napoléon Bonapartes erster Ehefrau Joséphine, zeitgleich seine Stieftochter und Schwägerin, hatte Frankreich nach der Verbannung des Kaisers ebenfalls verlassen müssen. Sie hatte ihn bei seiner kurzzeitigen Rückkehr an die Macht 1815 etwas zu vehement offiziell unterstützt.

Nun also findet Hortense zehn Kilometer westlich von Konstanz Zuflucht mit ihrem jüngsten Sohn Louis-Napoléon (1808–1873), der aus ihrer Ehe mit Napoléons Bruder Louis stammt. Vom ungeliebten Mann, an dessen Seite sie von 1806 an Königin von Holland war, lebt sie seit 1810 getrennt. Schloss Arenenberg und die umgebende Landschaft möchte sie sich zum „geliebten Kleinod“ umgestalten lassen, um dort Louis-Napoléon großzuziehen. Der Junge hat bald einen riesigen Abenteuerspielplatz zur Verfügung. Der 14 Hektar große Landschaftspark wird vom berühmten französischen Gartenbauer Louis-Martin Berhault ebenso wie von Hermann Fürst v. Pückler-Muskau umgestaltet und mit geheimnisvollen Gängen, Grotten, Schluchten, Wasserspielen und geheimen Sitzplätzen ausgestattet. Auch das von außen eher bescheiden wirkende Schloss lässt Hortense umbauen und innen extravagant im französischen Stil dekorieren. Wenn man schon im Exil leben muss, dann bitte besonders exklusiv und modern.

Schlossweihnacht

Der Mode des Orientalismus folgend wird einer der Salons mit einer raffinierten Zelttapete versehen, das Treppenhaus zieren Porträts arabischer Herrscher, die Böden sind mit edlen Hölzern in aufsehenerregenden Mustern gefertigt. Die Bettkoje lässt sich Hortense im flimmernden Türkis des Untersees streichen, den man aus ihrem Schlafzimmer überblickt. „Unseren Golf von Neapel“ hat sie den See liebevoll genannt.

Eine andere Liebe gilt dem einstigen französischen Kaiser, der 1821 stirbt: Das Schloss ist vollgestopft mit Andenken an den großen Napoléon. Der kleine Louis-Napoléon wird auf die einstige Kaisernachfolge getrimmt und soll der perfekte Thronfolger werden. Selbst einen kleinen Kinderthron stellt man ihm zur Verfügung, verziert mit dem petit chapeau, dem Markenzeichen des Kaisers. Verschiedene Hauslehrer verzweifeln an dem Sprössling, der im Teenageralter, anstatt zu lernen, lieber schwimmend den See in Richtung Insel Reichenau überquert oder vom Arenenberg aus mit verschiedenen Waffen allgemein gefürchtete Schießübungen vollzieht. Der adoleszenter Traum des Waffennarren ist es, am Bodensee Rüstungsindustrie anzusiedeln. Erst einmal jedoch nimmt er an den Gesellschaften der Mutter teil. Zu denen schauen unter anderem Alexandre Dumas, Karl Schinkel und Alexander v. Humboldt vorbei. Das schöne Schloss der „vollendeten Hortense“, wie Lord Byron sie nennt, ist zu einem Treffpunkt der intellektuellen und künstlerischen Elite geworden, die sich in der Grenzregion bis dato noch nicht wirklich hat blicken lassen. Hortense finanziert zudem die Dampfschifffahrt auf dem See mit und trägt damit maßgeblich zum Aufbruch des Bodenseeraums in die Gegenwart bei. Der durch Tatkraft, Ideenreichtum und Liberalität der Mutter geprägte Louis-Napoléon wird später auf vielen Umwegen das französische Kaiserreich reformieren und tatsächlich als Napoléon III. Geschichte schreiben. Diesen Triumph zu erleben ist Hortense allerdings nicht vergönnt. 1837 stirbt sie mit nur 54 Jahren an einem Krebsleiden. 1843 muss ihr Sohn sein Mutterhaus verkaufen, um sein Exil in London zu finanzieren.

Richtung Bodensee

Romantisches Ende

Dass Schloss Arenenberg öffentlich zugänglich ist und als Napoleonmuseum zur Zeitreise ins 19. Jahrhundert einlädt, ist Eugénie de Montijo (1826–1920) zu verdanken, der Ehefrau Napoléons III. Angeblich kaufte sie ihrem Mann das mit so vielen guten Erinnerungen verbundene Schloss heimlich wieder zurück und schenkte es ihm 1855 zum Geburtstag. Napoléon III. ließ alles wieder in den Originalzustand bringen und verlebte bis zu seinem Tod 1873 regelmäßig glückliche Tage auf dem Arenenberg. So richtig belegt ist diese romantische Geschichte zwar nicht, die zweite Schenkung allerdings ist es: Am 9. Mai 1906 übergab Eugénie de Montijo den gesamte Besitz dem Kanton Thurgau. Im Schenkungsvertrag festgehalten war, dass Schloss Arenenberg als Napoleonmuseum dienen sollte und alle Ökonomiegebäude zu Erziehungszwecken umzubauen seien. Heute befinden sich auf dem Gelände neben dem herrlichen Landschaftspark und dem einzigen deutschsprachigen Museum zur napoleonischen Geschichte im Sommer auch Blumen- und Kräutergärten, ein Urlaubs- und Seminarhotel mit Bistro sowie das „Kompetenzzentrum für die Landwirtschaft im Kanton Thurgau“. In den Wintermonaten werden die historischen Räume nach altem Brauch weihnachtlich geschmückt und an den Adventswochenenden unter andere Führungen bei Harfenklang angeboten.