Steinort

Schloss Steinort, Pałac Sztynort

Am nordöstlichen Ende der masurischen Seenplatte, unweit der Grenze zum Königsberger Gebiet liegen Schloss und Gut Steinort. Es war 500 Jahre lang der Stammsitz der Grafen v. Lehndorff.

Umgeben von dunklen Wäldern und blauen Seen, von endlosen Feldern und weiten Wiesen – das Schloss Steinort, einst „Steinorter Wildnis“ genannt, hat sich in dieser idyllischen Umgebung zu einem einträglichen Forst- und Landwirtschaftsgebiet gemausert. Fast 500 Jahre hatten die Grafen v. Lehndorff die Hand darauf – eine Dynastie, die in verantwortungsvollen Positionen im Staatsdienst aktiv war. Heinrich Graf v. Lehndorff war der letzte Besitzer des Schlosses. Infolge seiner aktiven Beteiligung an der Vorbereitung des Attentats auf Hitler am 20. Juli 1944 wurde er am 4. September 1944 in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Damit endete auch die Besitzgeschichte der Lehndorffs von Schloss und Gut sowie umliegender Ländereien.

Schloss Steinort ist ein Abbild unterschiedlicher Baustile und Geschichtsepochen. Den barocken Kernbau ließ Eleonore von Lehndorff 1689 bis 1695 auf den Resten eines Vorgängerbaus errichten. 1829 kamen zwei Flügelanbauten im klassizistischen Stil hinzu, und in einer weiteren Umbauphase nach 1850 wurden in Rückbesinnung auf die Ordensritterzeit die turmartigen Anbauten angefügt. Zeitgleich ließen die Besitzer die Mittelrisalite mit den neogotischen Giebeln umformen. Die ganze Fassade wurde schließlich mit einer aufgeputzten Quadratur überzogen, die einen verbindenden und schließlich monumentalen Eindruck vermitteln sollte. Vor dem Schloss lag ein Park, der Gelegenheit zum Blick auf den Steinorter See gab. Rückseitig befand sich ein Landschaftspark im englischen Stil mit einem Kanal, der den Zugang zum Mauersee ermöglichte. Auf der dem Schloss vorgelagerten Halbinsel erstreckte sich der Familienfriedhof, auf dem 1853–1855 nach Entwürfen des bekannten Berliner Architekten Friedrich August Stüler eine Erbbegräbniskapelle für die Familie Lehndorff entstand. Damals konnte man über den Steinorter See bis zum Schloss schauen. Die Mitglieder der Familie wurden hier zur letzten Ruhe gebettet sowie Bedienstete und Einwohner von Steinort auf dem umgebenden Friedhof zu Grabe gelegt.

Ein Mitarbeiter des Museums in Angerburg hatte anlässlich des feierlichen Baubeginns der Sanierung der Kapelle am 23. September 2017 in den Akten recherchiert und erstaunliche Details zu Personen, Ereignissen zusammengetragen:

Gefährliches Doppelleben

Die Familiengeschichte der Lehndorffs erlitt mit dem missglückten Anschlag auf Hitler am 20. Juli 1944 einen tragischen Bruch. Denn Graf Heinrich v. Lehndorff, der Schloss und Gut 1936 übernommen hatte, war an der Vorbereitung des Attentats auf Adolf Hitler beteiligt. Er sollte die Amtsgeschäfte in Königsberg übernehmen. Seine Frau Gottliebe wusste von den Aktivitäten ihres Mannes und war eingeweiht. Heinrich Graf Lehndorff hatte sich früh dem militärischen Widerstand angeschlossen, nachdem er im Oktober 1941 die Gräueltaten der SS bei einem Massaker an 7000 Juden in Borissow miterleben musste. Schloss Steinort war 1941 Wohnsitz des damaligen deutschen Außenministers Joachim von Ribbentrop geworden. Er hatte – wegen der Nähe zur Wolfsschanze – den Westflügel des Schlosses zum Wohnsitz ausgewählt und lebte nunmehr Seite an Seite mit Familie Lehndorff. Er verehrte Gottliebe Gräfin v. Lehndorff und die Kinder sehr. Die Grünen-Politikerin Antje Vollmer hat dieses gefährliche „Doppelleben“ im gleichnamigen Buch beschrieben und ihm ein Denkmal gesetzt.

Gottliebe v. Lehndorff und ihre vier Töchter hatten es nach der Hinrichtung ihres Mannes – und dem damit einhergehenden Verlust der Heimat– sehr schwer, im Leben wieder Fuß zu fassen. Im Laufe der Nachkriegszeit wurde eine der vier Töchter, Vera Gräfin v. Lehndorff, als Model unter dem Künstlernamen „Veruschka“ weltbekannt.

Front des Schlosses

Die Historie nach 1945

Nach der Einnahme von Masuren durch die Rote Armee 1945 diente das Schloss als Sammelstelle für konfiszierte Kunstgegenstände. Es ist ein Wunder, dass es diese Zeit unbeschadet überstanden hat und nicht – wie viele andere Güter – abgebrannt wurde. Der riesige Besitz von Steinort, die Enteignung und der anschließende Übergang in den Besitz des polnischen Staates führte dazu, dass hier eine landwirtschaftliche Produktions-genossenschaft nach sowjetischem Vorbild gegründet wurde. Der Betrieb florierte und gab den Menschen Arbeit. Noch heute erinnern sich Menschen positiv an das Leben in dieser Genossenschaft. Allerdings: Die Repressalien und der Druck der staatlichen Betreiber bleiben oft unerwähnt und wurden erst viel später öffentlich. Die Bausubstanz der Gebäude blieb erhalten, soweit es die Mangelwirtschaft zuließ: Wände und Decken wurden mit Öl- oder Kalkfarbe gestrichen und die Decken verkleidet. An dem großen Küchenherd wurde für bis zu 100 Personen gekocht. Kinder und Schüler, die hier spielten und lernten, erinnern sich heute noch an die „Geheimgänge“ der Mittellängswand des Kernbaus, die zum Entwischen nach Streichen oder Dummheiten genutzt wurden.

Deckenbalken

Nobelhotel mit Golfplatz

Mit der Wende 1989 zerfiel die Genossenschaft, die Zukunft für die Menschen der Region und für das Schloss waren ungeklärt. Land und Schloss wurden dann voneinander getrennt, das Land verpachtet oder verkauft. Aus dem Schloss sollte ein Nobelhotel der Sheraton-Gruppe mit großem Golfplatz werden. Daraus wurde nichts. Interessenten kamen und gingen, der aufblühende Hafen von Königsberg schien eine Chance für das Schloss zu bieten. Allerdings floss das Geld in die Revitalisierung des Ortes und der Gegend. Das Schloss verfiel immer mehr, die Dächer wurden undicht, es regnete herein. Der Hausschwamm begann zu wachsen und sein zerstörerisches Werk zu vollführen. Unterdecken brachen durch, und plötzlich kam die polychrome Bemalung der Decken zum Vorschein, die bis dahin kaum noch jemand im Bewusstsein hatte. Es war höchste Alarmstufe.

Professor Gottfried Kiesow und Professor Andrzej Tomaszewski ist es zu verdanken, dass 2009 das Schloss dem damaligen Besitzer, einer Jachtgesellschaft, abgerungen werden konnte und in den Besitz der Polnisch-Deutschen Stiftung Kulturpflege und Denkmalschutz überging. Es wurden umgehend Gelder akquiriert, um die wichtigsten Notsicherungsmaßnahmen in Angriff nehmen zu können. Die Deutsch-Polnische Stiftung engagierte sich dabei sehr. Die eingebrochenen Decken mussten abgestützt werden, die Mauerkronen waren lose, der Schwamm wuchs im Bau immer rascher, das Dach war vollkommen undicht, und Strom lag keiner mehr an. Viele Dachfußpunkte waren strukturell abgebaut und zum Teil überhaupt nicht mehr existent. Das Dach senkte sich bedrohlich; die Keller brachen ein, und der Westturm drohte auseinanderzubrechen, da das Kellermauerwerk keinen Fugenmörtel mehr hatte.

Gefahrenstelle Mauerwerk

Das war die Zeit – Anfang 2011 –, als Professor Wolfram Jäger von der Technischen Universität Dresden, Inhaber des Lehrstuhls Tragwerksplanung und Experte für Sanierung historischer Bauwerke, zu dem Vorhaben dazustieß. Während die Sicherung von Dach, Dachdeckung und Decken in vollem Gange war, begann er parallel dazu, sich gemeinsam mit Studenten um die Fragen der eingestürzten Keller und der Gefahrenstellen im Mauerwerk zu kümmern. Denn hier drohte ein großes Potenzial das ganze Schloss zum Einsturz zu bringen. Ständig lief Regenwasser in die Keller, spülte den Mörtel des Mauerwerks aus und verursachte im Winter Frostschäden, die das Mauerwerk im Keller an entscheidenden Stellen – so im Bereich der Gewölbekämpfer – zerstörten. Die Sicherung des auseinanderbrechenden Westturms sah fast wie eine Standardaufgabe für einen konstruktiven Ingenieur in der Denkmalpflege aus, allerdings war die Situation mehr als kritisch. Es sollte ja auch niemand zu Schaden kommen. Nachdem das Mauerwerk im Keller wieder kraftschlüssig verpresst war, wurden elf bis zwölf Meter lange Bohrungen „abgeteuft“, um anschließend Glasfaserstäbe einzubauen und dem Bau in Höhe der Geschossdecken anstatt der fehlenden Ringanker „Gürtel“ umzulegen, die den ganzen Bau zusammenhalten und das Ausbrechen der gefährdeten Ecke verhindern.

Viel komplizierter und gefährlicher war aber die Sanierung der eingebrochenen Keller. Eine Dokumentation des Einbruchzustands und des anschließenden Umbaus existierte leider nicht, weil man bei der Notsicherung schnell die Sicherungen anbringen musste. Hier kam die Tunnelbauerfahrung des ortsansässigen Bauunternehmers Matthias Hohl zum Tragen, der auch über die erforderliche Technik verfügte. Er tastete sich mit seinen Leuten regelrecht vor, durch schrittweises Freigraben und Sichern mit Spritzmörtel. Seit Oktober 2015 können nunmehr alle Keller wieder besichtigt und die Wirkungsweise der eingebauten Flächendrainage begutachtet werden.

Aus den Erfahrungen beim Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche lernend, wurde während des 2014/15 von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderten Projekts auch das Schloss geöffnet, soweit es aus Sicherheitsgründen möglich war. Damit wurde eine neue Ära des Schlosses eingeleitet, die sich jetzt zu der regelmäßigen jährlichen Steinorter Festwoche von Dr. Hannah Wadle und der Lehndorff-Gesellschaft Steinort e.V.sowie der Anwesenheit eines Schlossführers für Touristen und Interessierte entwickelt hat.

Ständige Pflege ist nötig

Nach den zwei auf das DBU-Projekt folgenden Jahren der Stagnation ist es Professor Wolfram Jäger gelungen, für die noch ausstehenden Notsicherungsarbeiten eine Förderung durch die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien für dieses Jahr zu erhalten. Dazu gehören der Einbau von Deckenscheiben zur Stabilisierung des barocken Mittelteils, die Fertigstellung der Regenwasserkanalisation und als Voraussetzung dafür die Heranführung von Wasser und Strom zum Schloss. Derzeit kann man zwar im Schloss Licht einschalten, aber sobald eine Baumaschine mehr Strom braucht, geht dieses aus. Wasser ist seit zwei Jahren keines mehr da, seitdem die alte eiserne Leitung im Park geborsten ist.

Ständige Pflegearbeiten gehören auch zum Erhalt des Schlosses. Eine alte Eiche wirft ihr Laub kontinuierlich in die Dachrinnen der Rückseite ab, die Rinnen sind durch den Schnee deformiert und Einlaufstutzen aus der Rinne gerissen. Die Förderung von deutscher Seite – letztlich erwirkt durch den Beauftragten für deutsche Minderheiten MdB Eckhart Pols – hatte auch ein Nachziehen des polnischen Kulturministeriums zur Folge. Dies unterstützt in diesem Jahr die Untersuchungen und Sicherungsarbeiten an den polychrom bemalten Deckenbalken, was eine gute Ergänzung zu den von deutscher Seite geförderten Maßnahmen darstellt.

Grundriss Erdgeschoss

Die Nutzungsfrage

as Schloss befindet sich im Eigentum der Polnisch-Deutschen Stiftung für Kulturpflege und Denkmalschutz. Die Frage der späteren Nutzung des Schlosses ist natürlich eine kardinale Angelegenheit, die alle Beteiligten und auch die Förderer beschäftigt. Aufgrund seiner Geschichte und Bedeutung im deutsch-polnischen Verhältnis und im Rahmen des militärischen Widerstands gegen Hitler ist es geradezu prädestiniert, als Zentrum der Verständigung und Zusammenarbeit im Osten von Europa eine zentrale Rolle zu spielen. Dazu kommt die Chance, den teilweise erhaltenen Bestand der Einrichtung und Ausgestaltung des Schlosses im Original wieder auszustellen, nachdem er auf Initiative eines kleinen Kreises von Kunstfreunden in den Besitz der Bundesrepublik Deutschland überführt werden konnte.

Ein Kolleg für Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Kultur wäre die richtige Basis für ein solches Zentrum. Ort und Vergangenheit bieten dazu die besten Voraussetzungen. Diese Konzeption nimmt nach und nach Gestalt an; Professor Jäger hat sie inzwischen von einem vierseitigen Papier zu einer ansprechenden Broschüre entwickelt. Als Renditeobjekt ist das Schloss nicht geeignet, was die Jahre 2016/17 und die diesbezüglichen erneuten Planungen zu einem Nobelhotel mit Golfumgebung gezeigt haben. Eine angemessene Konzeption zur Nutzung weiter auszubauen, zu untersetzen und mit ihrer Verwirklichung zu beginnen kostet Engagement und natürlich auch Geld, wenn man es professionell machen will; das ist eine Sorge, die Professor Jäger und sein Team neben der Frage der Baukosten täglich umtreibt. Eine dauerhafte Sanierung braucht ideelle und finanzielle Unterstützung. Jede Spende hilft dabei, uns alle dem Ziel näher zu bringen – ein revitalisiertes Schloss, eingebettet in eine traumhafte Umgebung, als Motor für die Region und darüber hinaus ein Zentrum der Verständigung, für Wissenschaft, Wirtschaft, Kultur und Politik in der Mitte Europas. Die Vergangenheit bewahren, der Akteure gedenken und die Zukunft gestalten – wir rufen Sie auf: Beteiligen Sie sich aktiv daran! Schloss Steinort braucht Ihre Hilfe!

Prof. Dr.-Ing. Wolfram Jäger | Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! | www.schloss-steinort.eu/p>