Heeren aus der Luft

Heiraten in Heeren

Schritt für Schritt bauten Christian und Dorothea Frhrn. v. Plettenberg-Heeren das Haus Heeren bei Kamen zur gefragten Hochzeitslocation aus.

Stephanie v. Selchow

Durchfahrt und Parken nur für das Brautpaar und Personen mit Behinderungen erlaubt“ steht auf dem hölzernen Schild vor dem Torbogen von Haus Heeren im Kreis Unna. Dahinter, im Hof der Vorburg des frühbarocken kleinen Wasserschlosses hat sich eine Festgesellschaft unter schattenspendenden alten Kastanien um ein Brautpaar versammelt: die Frauen in langen Kleidern, die Männer in dunklen Anzügen.

Ein Anblick, der für Dorothea Freifrau v. Plettenberg geb. Freiin v. Rotenhan mittlerweile an vielen Wochenenden von Ostern bis Dezember dazugehört: Seit 2014 steht ein standesamtliches Trauzimmer in der Vorburg zur Verfügung, und seit 2017 ist der Ausbau der Scheune für anschließende Feiern fertig. Mit rund 150 Trauungen pro Jahr und vielen anschließenden Festen boomt die „Location“.

Gewölbe

Ein Win-Win-Situation

Die Idee zum „Hochzeitsbusiness“ hat Dorothea Plettenberg zusammen mit ihrer Freundin Britta Timm entwickelt. Sie betreibt in der Nähe ein Brautmodengeschäft. Eine Win-Win-Situation für viele: Für die Stadt Kamen, die bis dato nur einen nüchternen kleinen Klassenraum aus den 1970er-Jahren als Trauzimmer bieten konnte und jetzt an den zusätzlichen Trauungen im Schloss mitverdient. Für die Schlossbesitzer, die eine freundliche, bausubstanzschonende Möglichkeit gefunden haben, ihren Besitz zu erhalten. Für die Freundin, die jetzt mehr Bräute ausstatten kann. Und nicht zuletzt für die Hochzeitsgesellschaften, die auf einem der schönsten alten Herrenhäuser in ihrem Kreis heiraten können und denen ein Trauzimmer zur Verfügung steht, in das rund 100 Menschen passen. Das ist wichtig, denn viele heiraten heute nicht mehr kirchlich, sondern laden ihre Verwandten und Freunde zur standesamtlichen Trauung ein – sie ist der Mittelpunkt der Hochzeit. Wer sich aber doch kirchlich trauen lassen möchte, kann sogar das auf Schloss Heeren, denn es gehört auch eine kleine evangelische Kirche zum Schlossensemble, und eine katholische Kirche ist nur zwei Minuten entfernt.

Zum Geschäft, das Freifrau v. Plettenberg zusammen mit ihrer Freundin betreibt, gehören auch Tage der offenen Tür an zwei Sonntagnachmittagen im Monat. Dann können sich Paare die Räumlichkeiten ansehen und eventuell auch schon alles Nötige für die eigentliche Trauung, wie etwa die Anzahl der Stühle, Sektempfang und Musik besprechen. Jedes Jahr im Januar präsentieren außerdem rund 50 Aussteller auf der Hochzeitsmesse in den Räumlichkeiten alles rund um die moderne Hochzeit: Kleider, Schuhe, Ringe, Makeup und Haarstyling; Catering, Torten, Geschenke und Honeymoon; Fotografie und Film; Unterhaltung und Musik; Limousinen, Blumenschmuck …eine unendliche Fülle an Dienstleistungen rund um das Hochzeitsfest.

„Alles, was wir in Heeren erwirtschaften, fließt auch wieder nach Heeren zurück“

So lautet das Geschäftsprinzip von Christian Freiherrn v. Plettenberg-Heeren, der den Lebensunterhalt für seine Familie als selbstständiger Vermögensberater in Düsseldorf verdient. Die Scheunen, in denen jetzt geheiratet und gefeiert wird, dienten lange als Kuhstall, Getreidelager oder Geräteschuppen und mussten von Grund auf umgebaut werden. Erhalten geblieben sind nur die Fassade und die schönen Rundbogenfenster, ein Gestaltungselement des gesamten Vorhofs. Christian Plettenberg hat sich um die Finanzierung, steuerliche und rechtliche Fragen gekümmert. Seine Frau, gelernte Schreinerin und Möbelrestaurateurin, hat den Bau geleitet und die Inneneinrichtung geplant und realisiert. Die Bauzeit betrug insgesamt acht Jahre und war durchaus aufregend. Während Christian seine Beratungsfirma in Düsseldorf aufbaute und in Heeren nach und nach vier Töchter – Henriette, Benita, Amelie und Cathalina – zur Welt kamen, gestalteten sich die Gespräche mit Banken, Baubehörden und Denkmalamt zuweilen schwierig. Dann stellte sich der Dachstuhl als einsturzgefährdet heraus und musste mit Stahlseilen abgefangen und statisch gesichert werden.

Mehr-Generationen-Modell

Sukzessiver Ausbau

Bewährt hat sich ein vorsichtiges Schritt-für-Schritt-Konzept. „Als wir gesehen haben, dass das Trauzimmer gut ankam, haben wir uns an den sehr viel umfangreicheren Umbau der Feier-Scheune gewagt und dabei auch von der Niedrigzinsphase profitiert“, erzählt der Hausherr. Die Scheune ist mittlerweile nicht nur bei Brautpaaren beliebt, sondern wird auch für Vorträge, Konzerte, Weihnachtsfeiern und runde Geburtstage genutzt. Um die Ausgestaltung der Feiern kümmert sich allerdings ein Pächter. Dorothea hat mit der Ausbuchung des Trauzimmers, Familienorganisation und vielen ehrenamtlichen Aufgaben in der Gemeinde genug zu tun. Der Betrieb läuft.

„Anfangs gab es aber schon Tage, an denen ich dachte, das können wir doch nicht machen“, erzählt Plettenberg. Die ersten Gäste in der Party-Location legten nicht immer das erwartete Benehmen an den Tag und festgetretene Kaugummireste auf der neuen Treppe aus Ruhrsandstein gaben ihm zu denken. Mögliche Lärmbelastung und ungewohnter Publikumsverkehr beunruhigten Nachbarn und Familie.

Doch jetzt sorgen moderne Dreifach-Verglasung der Fenster in der Feier-Scheune und eine gute Lüftungsanlage für geringe Geräuschbelastung, und die Angestellten des Pächters wurden zur Einhaltung der Haus- und Hofordnung angehalten. So werden weder die alten Damen, die auf der anderen Hofseite wohnen, noch die Familie im Schloss selbst über Gebühr gestört. Durch den Wassergraben, neben Torbogen und Vorburg typisch für die Herrrensitze in Münsterland und Westfalen, sind die Plettenbergs außerdem vor allzu Neugierigen geschützt. Und im Winter herrscht ja ohnehin Ruhe.

Alte Saal

Hinter dem Torbogen beginnt das Paradies

Beim Sherry im Schloss, im gemütlichen holzvertäfelten Festsaal von 1765, in dem in Öl gemalte Ahnen aus Rokokorahmen herabschauen, erzählt das Ehepaar, wie es sich 2003 in München kennen- und lieben lernte. Und das, obwohl Dorothea schon sechs Wochen später für ein Jahr nach New York ging, um dort als Restaurateurin zu arbeiten. Aber danach wurde geheiratet. In der Nähe von Frankfurt, wo Dorothea aufgewachsen ist.

„Als ich zum ersten Mal mit Christian durch den Ruhrpott nach Heeren fuhr, dachte ich noch, oje, was für eine Gegend“, gesteht sie. „Bis ich durch den Torbogen getreten bin. Hier ist schon ein Paradies. Alleine der Park!“ Auch den Menschenschlag des Ruhrgebiets weiß sie inzwischen zu schätzen. Ihm wurde schon als Kind vorgelebt, dass man Besitz zusammenhalten muss, aber auch ihrer Familie war die Pflege von Haus, Hof und Betrieb immer wichtig. „Das ist aber keineswegs nicht nur Pflicht. Wir und unsere Kinder fühlen uns einfach sauwohl in Heeren“, sagen beide und schmunzeln. Die Eltern Plettenberg haben es vorgelebt. Sie sind 1970 nach Heeren gezogen und haben den Betrieb über 30 Jahre geführt. Jobst-Heinrich Frhr. v. Plettenberg-Heeren hat noch selbst auf den Traktoren gesessen und den Verwalter angelernt. „Christian aber hat mir schon als Zehnjähriger gesagt: ,Papa, die Latzhose ziehe ich nicht an‘“, erzählt er. „Da war klar, die Landwirtschaft ist seine Sache nicht.“ Das zu Heeren gehörige Land ist jetzt an den Sohn seines Betriebsleiters verpachtet.

Zufluchtsort für Verwandte

Jobst-Heinrich Frhr. v. Plettenberg ist in Heeren aufgewachsen. Er hat erlebt, wie 1945 die sechs Schwestern seines Vaters und die zwei Schwestern seiner Mutter mit ihren Kindern vor der Tür standen: Sie mussten aus Ostdeutschland fliehen, und Heeren war der einzige Familienbesitz im Westen. „Trotz Enge und manchmal auch Hunger waren die Erwachsenen froh, dem Krieg entkommen zu sein. Und wir waren 33 Kusinen und Vettern und hatten eine herrliche Zeit zusammen“, erzählt Jobst-Heinrich Plettenberg. Heeren wurde für viele der Kusinen und Vettern zur zweiten Heimat, einige wohnten später jahrelang in Wohnungen auf der linken Seite des Hofs, die Plettenberg zum Teil ausgebaut hat. Noch immer leben jetzt zwei alte Damen der Verwandtschaft links auf dem Hof. Auch Christian und Dorothea wollen diese Wohnungen für Familie und Freunde erhalten und pfl egen die Familienbande. Jobst-Heinrich Frhr. v. Plettenberg und seine Frau Brunhild, geborene v. Prittwitz und Gaffron, leben auch jetzt noch auf dem Besitz. Sie sind aber 2003 in die Orangerie westlich vom Haupthaus gezogen, wunderschön mitten im Park gelegen. Ein Schüler von Schinkel soll den klassizistischen Bau im Rundbogenstil erbaut haben. „Henner“, wie Jobst-Heinrich Frhr. v. Plettenberg allseits genannt wird, hat ihn mit zwei neuen Seitenflügeln in einen Altersruhesitz verwandelt.

„Wir mussten uns schon erst mal an das Konzept von Christian und Doro gewöhnen“, sagt er. „Aber es ist gut durchdacht, und es freut mich sehr, dass sie Erfolg damit haben.“ Er und seine Frau genießen es, vier Enkeltöchter in der Nähe aufwachsen zu sehen. Offen bleibt, wie es in der nächsten Generation weitergehen wird. „Wir setzen unsere Töchter nicht mit Erwartungen unter Druck“, sagt Christian Frhr. v. Plettenberg. „Sie sind frei zu leben, wie sie möchten.“