Jagdschloss

Stern im Emsland

Schloss Clemenswerth gehört zu den beeindruckendsten Kulturdenkmälern Norddeutschlands. Das prunkvolle Jagdschloss mit seinen acht Pavillons wird als Museum genutzt – eingebettet in die weltweit einzige Alleen-Sternanlage.

Von Oliver Fok

So das viel zitierte kurfürstliche Rescript vom 27. März 1736 mit dem Clemens August (1700–1761) den Bau von Schloss Clemenswerth besiegelte. Der mächtige Kurfürst, wegen seines Amts als Erzbischof von Köln und seiner Bischofssitze in Paderborn, Münster, Hildesheim und Osnabrück auch spöttisch „Monsieur des cinq églises“ genannt, war ein passionierter Jäger. Und er war es leid, immer im bescheidenen Haus seines Vogtes nächtigen und seine vornehme Jagdgesellschaft in den ärmlichen Bauernhäusern der umliegenden Dörfer unterbringen zu müssen, wenn er im wildreichen Hümmling jagen wollte. Also beauftragte er keinen Geringeren als den bekannten Barockarchitekten Johann Conrad Schlaun (1695–1773) mit der Planung einer ebenso feudalen wie einzigartigen Anlage. Zehn Jahre währten die Bauarbeiten, die mit erheblichem finanziellem und personellem Aufwand ausgeführt wurden.

Acht Lindenalleen führen zum Mittelpunkt der Anlage, dem Jagdschloss. Acht kleinere Pavillons umschließen kreisförmig den zentralen Prunkbau. Einer dieser Pavillons ist die Schlosskapelle mit anschließendem Kapuzinerkloster, das heute noch von zwei Mönchen geführt wird. Die anderen Pavillons sind benannt nach den fünf Bistümern, dessen Bischofswürden Clemens August trug, und natürlich nach dem Bauherrn selbst „Clemens August“.

Ergänzt wird die bauliche Anlage durch den Marstall, heute eine katholische Jugendbildungsstätte, die Gloriette am Ende des Klostergartens sowie drei Wirtschaftsgebäude, die allerdings aus dem 19. Jahrhundert stammen. Das Ensemble ist eingebunden in einen Waldpark, in dem sich auch eine ausgedehnte Teichanlage, bestehend aus drei Bassins mit Verbindungskanälen und fünf Inseln, befindet. Ein barocker Klostergarten schließt sich an das Kapuzinerkloster an. Dahinter liegt ein großer Obstbaumgarten.

Nach dem Tode von Clemens August 1761 verwalteten seine Nachfolger bis zum Reichsdeputationshauptschluss 1803 Schloss Clemens werth. Säkularisiert fiel die Anlage im gleichen Jahr dem Herzog von Arenberg als Entschädigung für seine verloren gegangenen links-rheinischen Besitzungen zu. 164 Jahre blieb Schloss Clemenswerth im Besitz der Herzöge von Arenberg.

Klostergarten

Gründung und Aufbau des Museums

Anfang der 1960er-Jahre jedoch sahen sich die Herzöge von Arenberg nicht mehr in der Lage, Schloss Clemenswerth so zu unterhalten, wie es dem Baudenkmal entsprochen hätte. Schrittweise ging die gesamte historische Anlage in den Besitz des Landkreises Emsland über mit dem Ziel, die Anlage der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Der Kreis Aschendorf-Hümmling erteilte dem damaligen Direktor Eckard Wagner die Aufgabe, ein zentrales Emslandmuseum mit archäologischer, volkskund licher und kunsthistorischer Abteilung einzurichten.

Die historischen Räume, die zur Zeit des Ankaufs in einem überwiegend schlechten Zustand waren, wurden im Zuge der Vorbereitungen auf die 250-Jahr-Feier im Jahr 1987 restauriert, der ursprünglich barocke Charakter von Schloss Clemenswerth wieder hergestellt. Im 21. Jahrhundert erwies sich allerdings das ursprüngliche Museumskonzept als überholt. Die Neuausrichtung mit vielen museumspädagogischen Angeboten wurde vom Autor dieses Artikels, vormals Leiter der Kunststätte Bossard in Jesteburg, geplant und umgesetzt.

Jagdzimmer

Das Jagdschloss: ein fürstliches Quartier

Über den Haupteingang betritt man das repräsentative Entree mit zweiläufiger Treppe. Schlaun ist es gelungen, auf kleinem Grundriss eine dem Kurfürsten angemessene herrschaftli che Treppen anlage zu schaffen. Die Decke des En trees be herrscht ein Bild der Jagdgöttin Diana. Die Wände zeigen Szenen der Parforcejagd, der Hetzjagd mit Pferden und Hundemeute auf Hirsche.

Durch eine zweiflügelige Tür erreicht man den festlichen Rundsaal. Hier empfing Clemens August seine Gäste, gab Audienzen, speiste und feierte. Der aufwendige Marmorfußboden im bayerischen Rautenmuster verweist auf das Haus Wittelsbach. In der Raummitte ist ein Stern aus verschiedenen Marmorsorten eingearbeitet. Die acht großen Zacken des Sterns weisen in Richtung der acht Alleen. Stellt man sich auf die Mitte des Sterns und schaut aus den Fenstern, richtet sich der Blick in die Weite der Alleen, die Pavillons sind ausgeblendet - eine architektonische Raffinesse, mit der Schlaun eine enge Verbindung vom Innenraum des Schlosses zum Außenraum der Parkanlage schuf.

Den Festsaal flankieren zwei Kabinette, beide mit Kamin und Spiegel ausgestattet, das rechte folgt mit seiner Seidentapete der weit verbreiteten Mode der Chinoiserie. Über das Treppenhaus gelangt man in das Obergeschoss zum Antichambre, dem Vorzimmer der beiden Schlafräume. Die Wände sind bespannt mit einer fünfteiligen, den Raum umlaufenden Tapisserie arkadischen Motivs. Es sind Nachbildungen aus den Jahren 1986 bis 1989. Die Originale verschwanden am Ende des Zweiten Weltkriegs. Vom Antichambre gehen zwei spiegelbildliche Schlafzimmer ab. Das rechte Zimmer war Clemens August vorbehalten, das linke hohen Gästen. An der Decke des kurfürstlichen Schlafzimmers legt eine Putte den Finger an den Mund und verweist damit auf die nächtliche Ruhezeit.

Kohlkopfterrine

Pavillon Paderborn: Clemenswerther Jagdservice

Unter dem mächtigen Kuppelgewölbe der Schlossküche wurden opulente Jagddiners zubereitet. Ein Film und eine Ausstellung erklären die Baugeschichte der Schlossanlage.

Die Weitläufigkeit der Schlossküche nutzend wird hier auch das berühmte Clemenswerther Jagdservice ausgestellt. Clemens August gab es eigens für Schloss Clemenswerth bei der Straßburger Fayencemanufaktur des Paul Anton Hannong in Auftrag. Zur Jagdsaison 1751 wurde es nach Clemenswerth geliefert und soll aus nicht weniger als 599 Teilen bestanden haben. Zum Service gehörten Terrinen in Form von Kohlköpfen, Fasanen, Enten, Truthähnen und Auerhähnen sowie Sauköpfen, bei denen der Dampf der warmen Speisen aus den Nüstern entwich. Fast 200 Jahre blieb das Geschirr an seinem Platz, bis 1942 der Herzog von Arenberg, aus Furcht vor Zerstörung, das Service zur Hälfte in den Kunsthandel und zur anderen Hälfte in die eigenen Besitzungen nach Frankreich und Belgien brachte. Mit Gründung des Museums begann ein systematischer Rückkauf. Selbst nach über 70 Jahren konnten noch einzelne Teile über Auktionen erworben werden.

Pavillon Osnabrück zeigt die Historie vom „Deutschen Orden“

Seit 1732 bekleidete der Kölner Kurfürst Clemens August das Amt des Hochmeisters des Deutschen Ordens. Ein Amt, das über alle seine bisherigen Ämter emporragte und reichsweit wirkte. Neben Gemälden und Grafi ken von Würdenträgern werden Kupferstiche, Münzen, Medaillen und Ordenskleidung gezeigt. Zeittafeln verdeutlichen die lange Geschichte des Ordens, der schon 1198 vom Papst als Ritterorden anerkannt wurde.

Der Pavillon Clemens August beherbergt das „ForumForm“

In seinen sechs Räumen beherbergt dieser Pavillon die Sonderausstellungen der Ausstellungsreihe „ForumFormClemenswerth“ und präsentiert zeitgenössische Kunst und Keramik. Ergänzt wird die Ausstellungsreihe mit Bildhauerwerken und Installationen in der Parkanlage. So wird das Konzept des Architekten Schlaun fortgeführt – Innenraum und Außenraum gehen ineinander über und ergänzen sich.

Im Pavillon Coellen befi ndet sich der „Golden Garden Park“

Das zeitgenössische Gesamtkunstwerk „Golden Garden Park“ von Wolfgang Pohl umfasst u. a. eine Glassammlung von insgesamt 220 Teilen. Inspiriert wurde Wolfgang Pohl zu seinen vielfältigen Arbeiten aus Glas durch die Kunst des Barock. Durch den Museumsshop im rückwärtigen Anbau des Pavillons gelangt man in den „Keramikkeller“ mit einer Keramiksammlung, die einen repräsentativen Überblick zur Studiokeramik der letzten 40 Jahre bietet.

Die Schlosskapelle

Das vom angrenzenden Kapuzinerkloster genutzte Gotteshaus strahlt in der ganzen Pracht des Rokoko. Das Altarbild zeigt den heiligen Hubertus, den Schutzpatron der Jagd. Das Deckenbild, eingefasst durch einen Goldrahmen, den dunkle, plastisch gemalte Wolken durchbrechen, zeigt die Himmelfahrt Mariens. Über 120 in Stuckgips gearbeitete Engel rahmen das Bild ein und bieten einen „würdigen Himmel“ für die täglichen Andachten.

Ergänzt werden die vielfältigen Ausstellungen durch die große Waldparkanlage, den Klostergarten, viele Blumenbeete und den Obstbaumgarten. Damit bekommt Schloss Clemenswerth zum kulturellen einen zusätzlichen Freizeit- und Erholungswert.

Infos unter: www.clemenswerth.de