Schloss oberlichtenau

Ein Schloss für jeweils eine Generation

Es ist nie zu spät für einen Neuanfang, sagten sich Andreas Freiherr v. Hünefeld und seine Frau Daniela. Sie erwarben, bereits in der Mitte ihres Lebens stehend, das Barockschloss Oberlichtenau in Sachsen.

Von Comtesse Dr. Bettina de Cosnac

Weithin leuchtet die stattliche, wenngleich schlichte Fassade in sonnigem Gelb. Verführerisch hebt sie sich ab vom wilden Grün des fünf Hektar großen Barockgartens und den frisch bepflanzten Blumenparterren. Wertvolle Sandsteinbüsten aus dem 18. Jahrhundert erinnern an eine frühere, größere Bedeutung des heutigen Schlosses. Zwei Kavaliershäuser verleihen ihm die gewisse historische Würde. Schloss Oberlichtenau gilt in Sachsen als Perle des Barocks. Mit einem einzigartigen Schicksal. „Es ist schon merkwürdig“, meint der neue Eigentümer Andreas Freiherr v. Hünefeld im Interview. „Das 1724 von Graf Christian Gottlieb v. Holtzendorff erbaute Schloss wurde nie länger als von einer Generation besessen. Dann kam es stets in neue Hände.“ Auch die holländischen Vorbesitzer, Ank und Harm Holtzhuizen, behielten es nur elf Jahre. Und Hünefeld selbst ist „erwartungslos seinen Söhnen gegenüber“: Wenn sie das gerade erworbene Schloss nicht übernehmen wollen, „dann wird es eben verkauft“.

Hofgarten

Seit Herbst 2019 sind Freiherr Andreas und seine Frau Dr. Daniela v. Hünefeld Schlossherren auf Oberlichtenau in der Oberlausitz.

Der Kauf war eine durchdachte Geldanlage, jenseits von familiären Bindungen und Sentimentalitäten. „Wir suchten ein Investitionsobjekt mit Gastronomie, wo das Geld gut angelegt ist und der Wert steigt. Nach nicht allzu langer Zeit des Suchens stießen wir durch einen Artikel in der Sächsischen Zeitung auf Oberlichtenau“, erzählt er. Die gut erhaltene, zu DDR-Zeiten als Waisenhaus, Kinderheim und Hochzeitsort genutzte Anlage in der Oberlausitz, überzeugte sie sofort.

Für den immerhin 57-jährigen Baron ist es das erste Schloss in seinem Besitz, denn „ein Schloss hat man wohl nur einmal“. Als Späteinsteiger empfindet er sich nicht, und Angst vor der Herausforderung ist ihm fremd, zumal es in seiner Schwiegerfamilie ein ermutigendes Vorbild gibt: einen Onkel, der ebenfalls mit Mitte 50 ein Wasserschloss in Hülsede zum Leben erweckte und dort – nach viel Arbeit – zufrieden „sterben wollte“.

So in etwa planen auch Hünefelds die Zukunft, wobei sie der Umfang der anfallenden Arbeit dennoch überraschte. „Ich hätte nie gedacht, dass ich so viel Zeit in Oberlichtenau statt in Berlin bei der Familie verbringen würde“, gesteht Andreas Hünefeld freimütig am Telefon. Zum Glück ist der neue Schlossherr vielseitig. Seine kaufmännischen und gastronomischen Berufserfahrungen sind ein Plus für die auf Schloss Oberlichtenau geplanten Veranstaltungen. Mit seiner promovierten Frau Daniela, geb. v. Knoop, hat er eine „leidenschaftliche Gestalterin, Bäckerin, Köchin“ an seiner Seite. Mit 54 Jahren genieße auch sie „die neue Kreativität“ auf Oberlichtenau. Doch überwiegend verdient sie als Werksleiterin in Berlin „die Brötchen“.

Anlage

Der Freiherr gehört zu den wenigen Adeligen, die in der DDR aufgewachsen sind!

Es war nicht einfach, aber die Bande wurden aufrechterhalten, dank der Erzählungen der Großmutter. Hatte er – als ehemaliger DDR-Bürger – es einfacher, als neuer Schlossherr anerkannt zu werden? Einfacher als die misstrauisch beäugten „Wessis“, die sich in die ehemalige Zone einkauften oder enteigneten Besitz zurückerwarben? Die Antwort ist eindeutig: „Nein. Einem Schlossbesitzer schenkt man keine Hilfe.“ Grundsätzlich nicht. Denn wer ein Schloss besitzt, gilt gemeinhin als reich, auch wenn Schmalhans Küchenmeister ist und der letzte Euro die alten Mauern stützt.

In der DDR lernte Hünefeld zunächst Kellner. „Da konnte man durch die Trinkgelder gut verdienen“, erklärt er der überraschten Autorin. Nach der Wende blieb er klugerweise in der Gastronomie, wurde Kaufmann bzw. Verkaufsleiter für Großküchentechnik. Die Gastronomie ist der rote Faden, der sich durch des Freiherrn Leben zieht und auch Schloss Oberlichtenau umspannen soll.

Gemäldegalerie

Mehr Ikea als Barock

Schon die holländischen Vorbesitzer öffneten das Schloss. Sie führten Hochzeiten durch und nutzten, wie die nahe Stadt Pulsnitz zu DDR-Zeiten, den beeindruckenden Barocksaal als unüblich feudal gepflegte Außenstelle des Standesamts. Sogar der Stuck blieb erhalten, wenngleich das Wappen abgeschlagen und die Supraporten und Wandtäfelungen bei der Enteignung herausgerissen wurden. Die zerbrochene Wappenkartusche liegt immerhin noch auf dem Dachboden. Die Supraporten versucht der Baron derzeit den letzten Eigentümern abzukaufen. „Wir sind in gutem Einvernehmen. Es läuft an.“ Schwieriger gestaltet sich die Möblierung. Hünefelds hatten das Schloss zwar möbliert erworben, aber der Stil war mehr „Ikea als Barock“. Sie fanden stilgerechtere Möbel, hängten sämtliche Bilder ab und suchten passendere Gemälde, etwa die Kopie eines Großformats von August III.

Der König von Polen und Kurfürst von Sachsen ist eine von vielen Berühmtheiten, die mit der Geschichte des Schlosses verbunden sind. Die Geschlechter, die es in Besitz nahmen, defilieren: Schönberg, Oppel, Holtzendorff , Marcolini, Oertzen und auch der legendäre Heinrich Graf von Brühl. Im 19. Jahrhundert folgten Familien wie Schumann, Lecha, Bader. Im 21. Jahrhundert, von 2005 bis 2008, erstmals auch der Leerstand. Seit Monaten sucht der Schlossbesitzer ein Porträt von Christiane Gräfin v. Cosel, Tochter des Erbauers v. Holtzendorff und Schwägerin von Kurfüst August II. Sie erwarb das Schloss einst als Witwensitz.

Lehrpfad im Barockgarten

Zur Bewirtschaftung ihres Schlosses planten Hünefelds von Anfang an Trauungen mit anschließenden Tafelfreuden. Die Liste der Veranstaltungen für 2020 war randvoll, doch machte Corona ihnen einen Strich durch die Rechnung. Sämtliche Termine mussten abgesagt werden. Auch im Frühjahr 2021 musste die Einweihung eines „Lehrpfads des Barockgarten“ verschoben werden. Sie soll aber stattfinden. Unbedingt! Denn der Schlosspark, dessen barocke Struktur noch sichtbar ist, war beim Kauf „eine Wildnis mit zugewachsenen Wegen“. Pfad für Pfad erwacht er nun zu neuem Leben. Es ist mühsam, aber Andreas v. Hünefeld tut es gern und findet helfende Hände im neu gegründeten Schlossverein. Der Baron kann hier sein Geschichtsinteresse sowie sein Wissen in Sachen Neue Medien gut einbringen. Den Lehrpfad hat er sich ausgedacht. Er hat die historischen Wege wieder gezogen, sie nach historischen Vorlagen bearbeitet und virtuell aufbereitet, damit auch „Schulklassen etwas über Barock, Geschichte, Literatur und Botanik lernen“. Mit einem QR-Code kann man den Pfad downloaden, entlangspazieren und Quizfragen lösen. Man hört die Zufriedenheit über das Geleistete in seiner Stimme.

Demnächst steht die Renovierung des einen Kavaliershauses an. Freiherr v. Hünefeld wartet gelassen, dass das Denkmalamt seine Wünsche und Auflagen erarbeitet. Dann wird losgelegt. Es ist „die kleine Generalprobe“ für das etwa 1000 Quadratmeter große Schloss. Dort wartet die komplette Dacheindeckung.

Das Oberlausitzer Kammermusikfest

Schloss Oberlichtenau war und ist ein Ort des Feierns. Und ein prädestinierter Spielort für Musik. Zwei Musikemporen beinhaltet der beeindruckende, sich über zwei Etagen erstreckende Barocksaal. Im September wird er im Rahmen des Oberlausitzer Kammermusik-festes bespielt. Das Kammermusikfest ist eines von vielen Aktivitäten, die für den Erhalt des Schlosses wichtig sind.

Überhaupt Familie!

Sie zählt für den Aristokraten – auch wenn Schloss Oberlichtenau kein Erbe ist und dessen Fortbestand kein Drama wird – genauso viel wie in anderen Familien. „Genealogie war schon immer meine Leidenschaft, auch zu DDR-Zeiten“, begeistert sich Andreas v. Hünefeld. Und letztlich hofft der Freiherr eben doch, seine 16 und 20 Jahre alten Söhne für das erworbene Ensemble interessieren zu können. Auch unter dem Aspekt, dass Schloss Oberlichtenau Lebensunterhalt sein kann, wenn der Besitz von der jetzigen Generation gut geplant und ausgebaut wird. Vorausschau, das weiß jeder Kaufmann und Investor, ist alles! Auch bei einem alten Schloss.