Der Erfinder romantischer Landschaften
Peter Joseph Lenné, der vor 150 Jahren starb, gilt als wichtigster Gartenkünstler des deutschen Klassizismus. Zahlreiche adelige Parks wurden von ihm entworfen.
Der September 1792 ist ein schicksalhafter Monat für Europa. Das hat vor allem mit der französischen Revolution zu tun, die in dieser Zeit ihre größten Triumphe feiert.
Am 20. September kommt es im Ersten Koalitionskrieg zwischen dem preußischen Kontingent der antifranzösischen Koalition und der Revolutionsarmee bei der „Kanonade von Valmy“ zu einem Sieg der Franzosen, und bereits am Folgetag versammelt sich der Nationalkonvent in Paris zu seiner Eröffnungssitzung. Die Monarchie wird offiziell abgeschafft, Frankreich ist fortan eine Republik.
Nur wenige Tage später, am 29. September 1789, wird 500 Kilometer nordöstlich im preußischen Bonn ein Knabe geboren, dem das Schicksal ebenfalls eine revolutionäre Rolle zugedacht hat. Die Veränderungen, die Peter Joseph Lenné anstößt, kosten allerdings niemanden das Leben, sondern tragen im Gegenteil dazu bei, die Welt für alle ein bisschen lebenswerter zu machen. Und ein bisschen grüner. Bis heute finden sich seine Spuren in unzähligen Schlossparks und städtischen Grünanlagen, und die Fachwelt feiert ihn zu Recht als bedeutendsten deutschen Landschaftsarchitekten des 19. Jahrhunderts.
Über die ersten Jahre Lennés ist wenig bekannt, aber man darf vermuten, dass er schon früh mit Landschafts- und Gartenbau zu tun hat. Seine Geburtsstätte ist das Gärtnerhaus am Kurfürstlichen Schloss in Bonn, denn der Vater ist leitender Hofgärtner und Vorsteher des Botanischen Gartens, der zur kurfürstlichen Universität gehört. Auch die Vorfahren waren bereits in dieser Branche tätig, wie man aus alten Urkunden weiß. Die Familie, die ursprünglich aus dem Raum Lüttich stammt, übersiedelte 1665 ins Rheinland und stand seitdem in kurfürstlichen Diensten.
So viel Tradition verpflichtet, also beginnt Peter Joseph 1805 eine dreijährige Gärtnerausbildung, die er bei seinem Onkel Joseph Clemens Weyhe dem Älteren (1749–1813) absolvieren kann. Der entstammt ebenfalls einer Gärtnerdynastie und arbeitet als Hofgärtner in Brühl.
Als die Lehre am 15. September 1808 endet, geht Lenné erst mal auf Wanderschaft. Begünstigt durch den Umstand, dass sein Vater nicht unvermögend ist und die Studienreisen seines Sohns finanziell fördert, verbringt er 1809 einige Monate in Süddeutschland und geht 1811 nach Frankreich. Dort macht er in Paris eine Ausbildung zum Gartenbaumeister, die den beruflichen Werdegang des Rheinländers entscheidend prägen wird.
Seine wichtigste Prägung findet er in Paris und Süddeutschland
Sein Lehrherr ist Gabriel Thouin (1747–1829), einer der berühmtesten europäischen Gartenarchitekten seiner Zeit. Hier lernt Lenné die Gartengestaltung mit eleganter, leicht geschwungener Wegeführung und großzügigen Sichtachsen, die einzelne Teilbereiche eines Parks geschickt miteinander verbinden. Und er profitiert von der Begegnung mit Thouins Bruder André. Der ist Leiter des Botanischen Gartens im Pariser Jardin des Plantes sowie Mitglied der Académie des Sciences und vermittelt Lenné Kenntnisse in der wissenschaftlichen Botanik seltener Sträucher und exotischer Pflanzen. Sie werden später zu einem wichtigen Element seiner Entwürfe und verschaffen ihm eine Art Alleinstellungsmerkmal, denn andere große Gartengestalter seiner Zeit wie beispielsweise Hermann Fürst v. Pückler-Muskau (1785–1871) setzen vorrangig auf einheimische Gewächse.
Gleiches gilt für Friedrich Ludwig v. Sckell (1750–1823), den Lenné vermutlich bei seiner nächsten Reise nach Süddeutschland kennenlernt. Der Hofgartenintendant hat gerade den Englischen Garten in München angelegt und ist als Schöpfer der Schlossparks von Schwetzingen und Nymphenburg zu Ruhm und Ehren gelangt. Sckell holt Lenné nach Wien, wo er eine Zeit lang unter Hofgärtner Franz Boos (1753–1832) im Schlosspark Schönbrunn arbeitet.
Danach kehrte er vorübergehend zu seinem Vater zurück, der mittlerweile in Koblenz angeheuert hat. Lenné ist nun Mitte 20 und weiß, was er kann. Er hat einiges von der Welt gesehen und sucht die große Chance, sein Talent zu zeigen. Diese Chance kommt Anfang 1816, als er – wahrscheinlich durch Vermittlung von Staatskanzler Karl August Freiherr v. Hardenberg (1750–1822) – eine Anstellung als Gärtnergeselle im Schlosspark Sanssouci erhält. Der soll neu gestaltet werden, und Lenné wirft gleich seinen Hut in den Ring. Der Park, während der Napoleonischen Kriege arg vernachlässigt, bietet jede Menge Möglichkeiten, neue und eigene Ideen zu entwickeln. Zu neu sollen sie allerdings auch nicht sein, wie Lenné erfahren muss, als er seine Pläne einreicht. Der Vorschlag, die zeremoniellen höfischen Alleen zu beseitigen und die auf das Neue Palais zuführende Hauptachse zu beseitigen, um dort einen Landschaftsgarten mit völlig neuer Wegeführung, malerisch komponierten Gehölzgruppen und großzügigen Wasser- und Rasenflächen anzulegen, wird abgelehnt. Zu radikal das Ganze, zu revolutionär, zu wenig Rokoko. Das missfällt, schließlich sind wir in Preußen, da ist Ruhe oberste Bürgerpflicht.
Aber Lenné ist noch jung, was man von seinen Vorgesetzten nicht sagen kann. Sanssoucis königlicher Gartendirektor ist der Oberhofbaurat Johann Gottlob Schulze (1755–1834), der bereits Anfang 60 ist – ebenso wie sein Kollege Wilhelm Sello (1753–1822). Die Zeit arbeitet somit für Lenné, er muss sich nur gedulden. Die nächste Chance kommt wenige Monate später. Staatskanzler Hardenberg beauftragt Lenné, seine Grünanlagen in Klein Glienicke (heute Volkspark) landschaftsgärtnerisch umzugestalten. Dieser Auftrag gleicht einem Ritterschlag, denn eigentlich hat Hardenberg einen renommierten Gärtner in der Familie. Seine Tochter Lucie, geschiedene v. Pappenheim, ist in zweiter Ehe mit Hermann v. Pückler-Muskau verheiratet, der sich bereits einen Namen als Gartenarchitekt gemacht hat. Der Kanzler mag ihn trotzdem nicht, er hält den fürstlichen Schwiegersohn für einen Parvenü und vertraut seinen Park lieber dem Newcomer Peter Joseph Lenné an.
Jetzt wollen alle den jungen Nachwuchskünstler buchen
Der kniet sich mächtig rein und macht seine Sache so gut, dass Hardenberg ihn 1821 auch noch mit der Umgestaltung seines Landguts Neuhardenberg beauftragt. Das spricht sich herum unter den Standesgenossen, jetzt wollen alle den jungen Nachwuchskünstler buchen. Seine Idee, das Schöne mit dem Zweckmäßigen zu verbinden und – wo immer möglich – auch die Landwirtschaft in die Parks zu integrieren, gefällt dem Adel, dessen Grünanlagen viele Jahre lang von der monotonen Symmetrie des französischen Barock geprägt waren. Nun begeistert man sich für die abwechslungsreiche Landschaft englischer Parkanlagen und findet zurück zur Natur, gemeinsam mit Lenné. Der ist zu diesem Zeitpunkt bereits offiziell „Garteningenieur und Mitglied der Gartendirektion“ in Potsdam. Zu verdanken hat er diesen Karrieresprung vor allem Burchard Friedrich Freiherr v. Maltzahn, der als Hofmarschall und „Intendant der Königlichen Schlösser und Gärten“ schon früh auf Lenné aufmerksam wurde und ihn aktiv fördert. Das öffnet dem Rheinländer viele Türen, sorgt aber auch zuweilen für Unmut im Kollegenkreis, da der junge Rheinländer beherzt von der ihm anvertrauten Macht Gebrauch macht.
Er lebt mit Frau, zwei Papageien und Hunden in Sanssouci
Insbesondere mit Gartendirektor Johann Gottlob Schulze gibt es die ein oder andere Differenz, was nicht nur mit Lennés Eigenmächtigkeiten zu tun hat. Mindestens ebenso schwer erträglich ist für Schulze, dass sein einstiger Untergebener sich auch bei der Wahl der Ehepartnerin nonchalant über die herrschenden Konventionen hinwegsetzt und Schulzes Tochter Karoline keinen Antrag macht. Stattdessen heiratet er Anfang 1820 in Potsdam die älteste Tochter des lutherischen Hofgärtners im Potsdamer Küchengarten. Die Ehe mit Friederica Louisa Voß (1798–1855) bleibt kinderlos, aber harmonisch bis zum Ende. Das Paar lebt mit zwei Papageien und mehreren Hunden in Sanssouci, wo Lenné erst Direktor der Landesbaumschule und später Direktor der Potsdamer Gartendirektion wird.
Treu bleibt er auch seiner erprobten Gestaltungsphilosophie, die Zeitgenossen zuweilen abfällig als „Potsdamer Schablonen-Gartenstil“ bezeichnen: raffinierte Sichtachsen, kleine Baumgruppen, bohnenförmige Wiesenstücke, exotische Pflanzen als Mittel der Akzentuierung, zahlreiche geschwungene Wege und Kreuzungen, oft nach dem gleichen Muster angelegt und meist dicht umpflanzt. Vieles davon findet sich im „Lehrbuch der schönen Gartenkunst“, das sein Meisterschüler Johann Heinrich Gustav Meyer 1859/60 veröffentlicht. Das Werk avanciert zur Bibel für deutsche Gartenbauer und verrät viel über die jahrzehntelange Umgestaltung des Parks Sanssouci, die als Lennés Lebenswerk gilt.
Ab 1840 ist Peter Joseph Lenné zudem für die städtebauliche Planung Berlins zuständig. Nach seinem Entwurf entstehen in enger Zusammen arbeit mit Karl Friedrich Schinkel (1781–1841) die Friedrich-Wilhelm-Stadt in Berlin Mitte und das Köpenicker Feld. Gleiches gilt für den Kleinen Tiergarten, die Grünanlagen auf dem Leipziger Platz, dem Luisenplatz (Robert-Koch-Platz), dem Mariannenplatz, dem Belle-Alliance- Platz (Mehringplatz), die Hasenheide und den Zoologischen Garten, den Invaliden- und den Kreuzbergpark (Vorläufer des Viktoriaparks) sowie diverse andere Anlagen. Auch der Bau des Landwehrkanals und des Luisenstädtischen Kanals geht auf ihn zurück.
Die Berliner lieben ihn dafür, auch wenn sie ihn respektlos „Buddelpeter“ nennen. Für sein 50. Dienstjubiläum am 15. Februar 1866 wird eine große Feier vorbereitet. Seine Freunde und Schüler lassen einen vergoldeten Lorbeerkranz anfertigen, der aus 50 gravierten Blättern besteht – jedes davon steht für eine von Lenné entworfene Grünanlage. Doch der Jubilar erlebt den Tag nicht mehr. Kurz zuvor stirbt er am 23. Januar 1866 mit 77 Jahren an den Folgen eines Gehirnschlags.