rosenau

Der Sehnsuchtsort der Queen

Die mächtigste Frau der Welt im 19. Jahrhundert, Queen Victoria, liebte Schloss Rosenau bei Coburg. Besonders der Park drumherum begeisterte die Monarchin. Dieses ländliche Kleinod war architektonisch maßgeblich vom jungen Karl Friedrich Schinkel geprägt.

Von Christian Personn

Warum sollte sich die Königin des britischen Empire, die über ein Fünftel der Erde herrschte, ausgerechnet ins provinzielle Coburg wünschen? Ganz einfach: aus tiefer Liebe. Queen Victoria war die Gattin von Prinz Albert, der als zweitältester Sohn von Herzog Ernst I. auf der Rosenau geboren wurde. Er hatte 1840 die Princess Alexandrina Victoria of Kent geheiratet, eine echte Liebesheirat. Beide besuchten 1845 für sieben schöne Tage Schloss Rosenau – so kurz und doch so nachhaltig, es war um sie geschehen. In ihren Erinnerungen schwärmte die Monarchin: „Wäre ich nicht, was ich bin, hätte ich hier mein wirkliches Zuhause.“

Emotional aufgewühlt wandelte Victoria durch den malerischen Landschaftsgarten mit Blick auf das idyllische Itztal, und das animierte sie zur kreativen Einkehr – sie verewigte den Besuch in Kreidezeichnungen und Ölbildern, die bis heute zur Londoner Royal Collection gehören. Die junge Königin ließ in Andenken an diesen Besuch von vielen verschiedenen Künstlern Aquarelle mit Raumansichten anfertigen, die in der Royal Library in Windsor aufbewahrt werden. Was begeisterte aber nun die später so machtvolle und historisch prägende Königin an diesem eigentlich gar nicht so spektakulären Landsitz? Vermutlich entsprach es einfach ihrem Wesen – und eben der tiefen Verbundenheit zu ihrem Mann Albert.

Winterhalter

Drei Jahrhunderte lang zuvor war der Name von Rosenau, deren Reichtum aus landwirtschaftlichen Gütern bestand, eng mit dem Anwesen verbunden. Mit dem aufkommenden Fernhandel Ende des 16. Jahrhunderts gingen die wirtschaftlichen Erträge für die Familie aber beängstigend zurück. Silvester von Rosenau, Freund Martin Luthers, vermachte seinem Sohn Hans Berthold Schloss und Güter bereits hoch verschuldet.

Die von Sachsen-Coburg-Saalfeld erwarben 1805 dann den Ansitz der Herren von Rosenau. Erbprinz Ernst ließ den verfallenen Bau von 1808 bis 1817 im neugotischen Stil umgestalten. Er wollte sich einen Sommersitz erschaff en, der den romantischen Vorstellungen der Zeit im mittelalterlichen Erscheinungsbild des Baus wiederbelebte. Erste Anregungen zu den Spitzbogenarchitekturen und Maßwerkornamenten gab der damals noch junge Karl Friedrich Schinkel aus Berlin. Schloss Rosenau symbolisiert seitdem beispielhaft als Bauwerk fürstlichen Glanz mit ländlicher Einfachheit.

Die Wohn- und Gesellschaftszimmer im Inneren des Schlosses sind durch farbige Wandmalereien im neogotischen Stil sowie durch die von Herzog Ernst I. (reg. 1806–1844) in Wien erwor benen schwarz gebeizten und polierten Möbel geprägt. Die Fertigstellung Schloss Rose naus wurde im Jahr 1817 anlässlich der Hochzeit Herzog Ernsts III. von Sachsen-Coburg-Saalfeld (ab 1826 Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg und Gotha) mit Luise von Sachsen-Gotha-Altenburg mit einem Ritterturnier „in altdeutscher Tracht“ vor dem Schloss sowie Kostümbällen im Marmorsaal gefeiert.

Parkterrasse

Der das Schloss umgebende Park weist Merkmale des klassischen englischen Landschaftsgartens als auch typisch romantische Elemente auf. In neogotischem Stil sind Wirtschaftsgebäude, eine Felsengrotte mit Wasserfall und eine Turniersäule erhalten geblieben. Das klassizistische Teehaus wird heute als Parkrestaurant genutzt. Zwischen der Orangerie und dem 2008 eröffneten Europäischen Museum für Modernes Glas zeigt der neu angelegte Rastergarten die Grundstrukturen des ehemaligen herrschaftlichen Küchengartens. Besonders reizvoll ist die Aussichtsterrasse am Schloss mit Blumenparterre, Brunnen und Balustrade, die einen wunderschönen Blick auf das Itztal eröffnet.

Heutige Besucher stehen genau dort, wo einst die junge Victoria ihre Staff elei aufgebaut hatte. Wie sehr die Königin diesen Ort im Herzen bewegte, zeigt die Tatsache, dass sie 1865 einen der ganz wenigen Auftritte in der Öffentlichkeit – als ständig trauernde Witwe – in Coburg zelebrierte. Seit Alberts frühem Tod 1861, ritualisierte die damals erst 42-jährige Queen Victoria das Andenken an den Verstorbenen als Kult: Alberts Sterbezimmer in Windsor blieb unverändert, Einrichtungsgegenstände wurden zu Reliquien, seine Bettlaken und Handtücher regelmäßig gewechselt, täglich warmes Wasser in seinem Schlafzimmer bereitgestellt.

Leseraum

Als Ausdruck der tiefen Trauer trug Victoria nun bis ans Lebensende ausschließlich Witwentracht. Fast alle Fotos und Gemälde zeigen sie in schwarzer Trauerkleidung, mit würdevoll ernstem Gesichtsausdruck. Die einst so lebenslustige Königin versuchte, fortan den Buckingham Palace zu meiden. Sie zog sich lieber in die Abgeschiedenheit von Balmoral Castle oder Osborne House zurück. Erst am 6. Februar 1866 erschien sie wieder zur Eröff nung des Parlaments im House of Lords. In ihren insgesamt 40 Witwenjahren ließ sie sich dort sonst meist durch den Lordkanzler vertreten. Lediglich zur Einweihung von Albert-Monumenten trat sie öffentlich auf. Die Royal Albert Hall und das Albert Memorial weihte sie als nationale Gedenkstätten.

Auch wenn Victoria ihre Amtsgeschäfte weiterhin gewissenhaft erfüllte, galt sie für viele Untertanen als die „Witwe von Windsor“. Doch sie beherrschte die politische Kunst, die hatte sie in den Ehejahren von Prinz Albert gelernt. Nun besaß sie auch die Selbstsicherheit, als selbstständige konstitutionelle Monarchin zu regieren. Wann immer sie in den folgenden Jahrzehnten ihren politischen Willen gegen den jeweiligen Premierminister durchsetzen wollte, drohte sie unverblümt mit ihrer Abdankung, nicht ohne den Hinweis, dass ihr dies leichtfalle, weil diese Krone eine „Dornenkrone“ für sie sei.

Infos: www.schloss-rosenau.de