Flashmob mit Großmama
Teresa Gräfin Marenzi von Tagliuno und Talgate fotografiert Hochzeiten. Ein Gespräch über besondere Bilder, Skurrilitäten – und den 17. Cousin dritten Grades.
Von Daniela Contessa Borromeo d’Adda
Eigentlich wolltest du Theaterregisseurin werden, und jetzt bist du Hochzeitsfotografin. Wie passiert so etwas?
Fotografie war überhaupt nicht das, was ich für mein berufliches Leben geplant hatte! Ursprünglich studierte ich in Wien und Bologna Germanistik und Theaterwissenschaften, mit dem Ziel, fürs Theater zu arbeiten. Literatur und Theater, das waren meine großen Leidenschaften! Dann, 2004, unternahmen mein heutiger Mann Daniel und ich unsere erste gemeinsame große Reise. Nachdem wir beide immer schon leidenschaftlich fotografiert hatten, schossen wir viele Fotos, die dann im Freundeskreis die Runde machten. Kurz darauf heiratete einer meiner besten Freundinnen, Gräfin Ladislaja v. Nostitz-Rieneck, jetzt Baronesse Bourgnon de Layre. Keine zehn Tage vor der Hochzeit rief sie mich an und meinte, sie hätte völlig vergessen, einen Fotografen zu buchen. Ob wir das nicht machen könnten? Unsere erste Hochzeit als Fotografen! Uns machte es Spaß, das Brautpaar liebte die Fotos, und keine Woche später hatten wir den nächsten Auftrag: die Hochzeit von Gregor Roy Chowdhury de Ulpur und Zsolna Ugron de Ábránfalva in Transsilvanien. Für die nächsten Jahre, wir studierten beide noch, war es einfach nur ein schöner Nebenjob, durch den wir viel herumkamen.
Aber nachdem ich meinen Magister der Philosophie hatte und noch ein inspirierendes Jahr an der Angewandten Theaterwissenschaft verbracht hatte, fiel mir in der Berufspraxis schnell auf, dass das Theater nichts für mich war. Und dann ging mir plötzlich ein Licht auf: Ich habe ja schon einen Traumjob! Einen, der mir wirklich Spaß macht und bei dem ich Menschen etwas geben kann, das ihnen lange Freude bereitet. So haben wir 2008 Iconoclash Photography gegründet, die Website designt und begonnen, hauptberuflich als Fotografen zu arbeiten. Und wir haben es nie bereut!
Jede Hochzeit, jedes Brautpaar ist anders. Wie stellt man sich darauf ein?
Die größte Herausforderung ist, dass wir die Paare oftmals erst am Tag der Hochzeit kennenlernen. Da muss man sich gut organisieren und sich vor Ort schnell auf die neue Umgebung und Situation einstellen. Wir versuchen aber möglichst, das Paar schon vorab zu treffen. Vielleicht zum Verlobungs-Shooting. So kann man einander wirklich kennenlernen, und die Fotos sind schon für die Verlobungsanzeige professionell. Wichtig ist immer, dass das Paar und die Fotografen zusammenpassen und ein gutes Gefühl entsteht. Schließlich sind wir am Hochzeitstag bei sehr emotionalen Momenten oft näher dran als die besten Freunde. Da hilft es, wenn die Chemie stimmt.
Gut die Hälfte eurer Aufträge sind adelige Hochzeiten. Wie unterscheiden die sich von „normalen“ Hochzeiten?
Der Adel hat einfach jahrhundertelange Erfahrung, mit Selbstverständlichkeit ein großes Fest zu feiern. Jeder beherrscht die Kunst des angeregten Smalltalks, und viele kennen einander schon seit Jahren oder gar über Generationen. Deshalb haben Adelshochzeiten trotz großer Roben und Schmuck ein sehr familiäres Gefühl.
Besonders auffällig ist, dass die Generationsunterschiede im Adel viel weniger spürbar sind. Herrlich, wenn die über 90-jährige Großmutter dann mit einem Enkel oder sogar Urenkel die Tanzfläche unsicher macht! Was mich anfänglich hingegen sehr irritiert hat, ist, dass man als Fotograf oft weniger danach bemessen wird, wie gut die Fotos sind, als daran, wer wie oft abgebildet ist. Wehe, wenn der 17. Cousin dritten Grades nicht dabei ist!
Der Fokus hat sich zum Glück in den letzten Jahren geändert. Der jüngeren Generationen ist es wichtiger, dass wir das tun, was unsere Arbeit auszeichnet: einen schönen Moment festhalten, eine besondere Atmosphäre einfangen und einfach tolle Fotos vom Brautpaar machen. Zu der üblichen Anforderung, „jeder Gast sollte mindestens ein Mal abgebildet sein“, sage ich inzwischen, dass ich das nicht garantieren kann.
Bei Hochzeiten, wir kennen das alle, kommt es meist zu Skurrilitäten und/oder Überraschungen. Kannst du zwei besonders erinnerungsvolle erzählen?
Bei der Hochzeit der bereits erwähnten Roy-Chowdhury-Mikes-Familie in Transsilvanien war ich selbst das Opfer. Schloss Zabola war erst kürzlich restituiert worden, alles war noch recht einfach, es gab vor allem keinen Strom. Man behalf sich mit Hunderten Kerzen. Ein prachtvoller Anblick. Als ich, typisch Fotografin, achtlos einige Schritte nach hinten tat, fing mein Kleid an einer der Kerzen Feuer! Gott sei Dank sprangen umstehende Gentlemen schnell hinzu und löschten.
Bei einer anderen sehr eleganten Hochzeit im letzten Jahr schickten die Trauzeugen zuvor per Video eine Choreografie an alle Gäste. Und so brachen während des Empfangs zur totalen Überraschung und zum hellen Entzücken des Brautpaars alle in einen tanzenden Flashmob aus! Zuvor versteckte Lautsprecher spielten plötzlich Musik, und alle tanzten dieselbe einstudierte Choreografie, Jung wie Alt. Einzigartig!
Zu guten Hochzeitsbilder zählen auch immer schöne Porträts. Was aber macht ein perfektes Porträt aus?
Abgesehen von technischen Faktoren wie Licht, Pose, Hintergrund gibt es einen wichtigen, aber schwierigen Aspekt. Denn das, was man abbildet, muss man erst einmal sehen.
Das klingt banal, ist es aber nicht – nur weil man 800mal auf den Auslöser drückt, muss noch nicht ein einziges gutes Bild dabei sein! Man muss sich von dem, den man fotografiert, vorher ein Bild „im Geiste“ gemacht haben, um ihn abbilden zu können. Ein Beispiel: Zu Schulzeiten hatte ich eine sehr gute Freundin, ein absolut hübsches Mädchen. Sie selbst aber war überzeugt, sie sei hässlich. Ich fragte, warum sie das glaube, und sie zeigte mir alte Fotos: allesamt scheußlich! Ich überzeugte sie, neue Bilder von ihr machen zu dürfen. In den ersten 20 Minuten war sie verkrampft und schüchtern. Dann entspannte sie sich und ihr natürliches, schönes Wesen zeigte sich – ich konnte sie genauso abbilden, wie ich sie sah. Und zum ersten Mal sah sie sich selbst ganz anders und fühlte sich richtig schön.
Das ist vielleicht extrem, aber im Prinzip ist es genau das: Ein Porträt ist perfekt, wenn es etwas einfängt, das der Person entspricht und ihre Persönlichkeit erahnen lässt oder einen ihr wichtigen Moment erzählt. Wenn das gelingt, ist es ein großes Geschenk. Und es zeugt von echter gefühlvoller Zusammenarbeit.
Zur Person
Gräfin Teresa Marenzi von Tagliuno und Talgate, Markgräfin von Val Oliola, Freifrau von Marenzfeld und Schenec wird 1979 in Wien geboren. Ihr Studium der Germanistik und Theaterwissenschaften führt sie auch an die Universität Bologna. Es folgt ein Jahr Angewandte Theaterwissenschaft in Gießen. Mit ihrem Wiener Mann Daniel Raphael Bachler, mit dem sie seit Mai 2012 standesamtlich verheiratet ist, zieht sie nach Berlin. 2008 gründen sie gemeinsam Iconoclash Photography und reisen seither für ihre Arbeit durch die halbe Welt. Neben der Leidenschaft zur Malerei der Renaissance und dem Film der 1960er-Jahre ist sie begeisterte Köchin und Tänzerin. Im September 2014 werden Teresa und Daniel auf Sizilien kirchlich heiraten. Wer sie dann fotografiert, ist noch nicht geklärt.